Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

Dušan David Pařízek Inszenierung von Wolfram Lotz' "Die lächerliche Finsternis" ist in Berlin dabei
Das Wiener Akademietheater macht sich geordnet auf den Weg ins Unbekannte.

Die Uraufführung von Wolfram Lotz’ "Die lächerliche Finsternis" erzählt auch von der Selbstauslöschung des Theaters: Die Darstellerinnen tragen das kärgliche Bühnenbild ab und verhäckseln die Bretter in der Pause, mehrstimmig "The Lion Sleeps Tonight" singend.

Wenn Sie möchten

(Wobei der Begriff "Pause" relativ ist. "Eine Pause, wenn Sie möchten" steht in den Regieanweisungen und im Programmheft. Ein Teil des Publikums steht auf, der andere bleibt sitzen und bewundert die Häcksel-Sing-Performance. Das Publikum gehört hier zur Inszenierung dazu – so werden etwa der im Parkett sitzende Theaterregisseur und Residenztheater-Intendant Martin Kušej von Darstellerin Catrin Striebeck mit Popcorn gefüttert.)

Geradezu rührend ist dabei Folgendes: Selbst, wenn das Theater beschließt, sich einmal ganz wild und frech selbst zu hinterfragen, läuft das in Wien immer noch höchst geordnet ab. Im Foyer wurden Zettel ausgehängt: "Sehr geehrtes Publikum! Wir gestatten uns, Sie darüber zu informieren, dass in unserer heutigen Inszenierung während der Pause auf der Bühne Holz gehäckselt wird. Wir bitten wegen der Staubentwicklung um Verständnis." Noch schöner wäre gewesen: Wir bitten das p.t. Publikum höflich um Entschuldigung, dass wir uns heute auf der Bühne total arg benehmen werden.

Tatsächlich gibt es gleich zu Beginn einige sehr drastische, aber auch unheimlich komische und gleichzeitig erschreckende Beschreibungen sexuellen Missbrauchs – was einige ältere Herren im Publikum so erregt, dass sie den weiteren Verlauf der Vorstellung durch halblautes Schimpfen stören. Was wiederum für einen Solidarisierungseffekt sorgt: Am Ende gibt es für Darsteller, Regieteam und den Dichter Jubel in einem Ausmaß, wie es im Theater selten ist.

Bilder der Inszenierung

Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

FOTOPROBE: "DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS"
Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

FOTOPROBE: "DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS"
Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Wenn die Menschlichkeit im Häcksler entsorgt wird

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Reise in die Eingeweide

Zum Stück: Wolfram Lotz erzählt in "Die lächerliche Finsternis" – inspiriert von Joseph Conrad und eindeutig auch von "Apocalypse Now" – die Geschichte von einer Reise ans Ende der Menschlichkeit, an einen Ort, wo Krieg, Gewalt, Tod wohnen. Dinge, die wir gerne ganz tief in uns vergraben, oder auch in ferne Länder verschieben. Um dorthin zu kommen, muss man nur ein Boot besteigen und den eigenen Darm hinauf fahren – oder auch den Hindukusch, der hier kein Gebirge, sondern ein Fluss ist.

Wolfram Lotz’ "Unmögliches Theater" arbeitet mit unbefolgbaren Regieanweisungen, ignoriert die Gesetze von Physik und Logik und kombiniert Grausamkeit mit Komik. Es hinterfragt dabei immer auch die Wirkungsmacht des Theaters selbst (das ist momentan schwer angesagt). Regisseur Dušan David Pařízek inszenierte einen angreifbaren (wenn man denn will), aber unglaublich kraftvollen Abend zwischen tiefer Tragödie und strahlendem Blödsinn. Die Darstellerinnen Catrin Striebeck, Dorothee Hartinger, Frida-Lovisa Hamann und Stefanie Reinsperger schonen weder sich noch das Publikum.

Sie stellen hungernde "schwarze Neger" (Zitat aus dem Text, Anm.) dar, die an der Universität von Mogadischu Piraterie studiert haben; sprechende Papageien, die sich prostituieren; Kriegstraumatisierte, deren Familien verbrannten, weil sie eine schöne Markise vor dem Haus haben wollten. Sie singen, tanzen und erzeugen alle Geräuscheffekte. Grandios!

Frage: Wie kann man sich über die Zumutungen dises wilden, faszinierenden Textes erregen, wenn doch die Zumutungen der Realität in den Nachrichten so ungleich schlimmer ist?

KURIER-Wertung:

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