Die Kunst, die in Österreich zwischen den Weltkriegen entstand, ist meist von einer feinen Staubschicht überzogen: Das Mondäne der Klimt-Ära ist aus ihr entwichen, die Innovationen von Picasso und Cézanne scheinen sich mit gehöriger Verspätung breitzumachen, die Motive – mit Akten, Damenbildnissen, Landschaften – zeugen von einem traditionellen Verständnis des Künstlerseins in explizit männlicher Form.
Dennoch ist in jener Epoche, in der sich Österreich in neuer Form zu finden suchte, die DNA heimischer Kunst zu finden, in all ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit. Dies herauszuarbeiten, gelingt der Schau „Menschheitsdämmerung“, die bis 19. Februar im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) sowie im jüngst neu eröffneten Kärnten Museum in Klagenfurt zu sehen ist.
Die Ausstellung erschöpft sich dabei nicht nur im Abstauben einer gleichnamigen Präsentation, die das Wiener Leopold Museum 2021 zeigte: War zunächst eine bloße Übernahme geplant, so sieht man nun eine fein komponierte Erweiterung mit Beständen der Kärntner Landessammlungen und „Reflexen der Gegenwart“, wie es im Untertitel heißt.
Gegen-Teile
Insbesondere im MMKK reagiert Kuratorin Christine Wetzlinger-Grundnig damit auf den eklatanten Mangel weiblicher Perspektiven, die die von Rudolf Leopold zusammengetragene Sammlung, aber auch andere museale Bestände aus der Epoche kennzeichnen: Gerade mal eine Künstlerin, Elisabeth Guttenberg-Sterneck, fand Wetzlinger-Grundnig in den hauseigenen Beständen (Bild oben). Doch die Männerdominanz hört rasch auf: In Gegenüberstellungen wird schnell deutlich, dass etwa die Farb-Alchimie einer Maria Lassnig ohne deren Kenntnis von Herbert Boeckl oder Anton Kolig nicht vorstellbar gewesen wäre.
Den Bildnissen von Hans Böhler, Sergius Pauser oder Felix Esterl, in denen Frauen entweder als Erotikfantasien oder Dekorationselemente auftauchen, stellt die Kuratorin dazu freche Umkehrungen von Kiki Kogelnik oder Ines Doujak entgegen – allesamt Künstlerinnen mit Wurzeln in Kärnten.
Dass die Kunst, die österreichische im besonderen, regionalen Impulsen mindestens gleich viel verdankt wie urbanen Zentren, argumentiert der Kunsthistoriker Matthias Boeckl dazu überzeugend im Katalog. Es ist die weitere zentrale Erkenntnis aus der Schau, die als Kooperation einer Hauptstadt- und einer Bundesländer-Institution auch exemplarisch vorlebt, wie die Sphären und Sammlungen einander ergänzen können. Den Ansatz, eine Ausstellung nicht einfach weiterzureichen, sondern weiterzudenken, sähe man gern noch öfters in dieser Form.
Kommentare