Am 27. November folgt die Diskussion „Fokus Publikum“ im Linzer Landhaus. Doch inhaltlich hat man im letzten halben Jahr nichts vernommen. Gerüchteweise wollte man zunächst gar nichts verschriftlichen, nun denkt man an eine Broschüre, aber die soll nicht von versierten Mitarbeitern der Kunstsektion verfasst werden, sondern von Ghostwritern. Diesbezügliche Fragen werden vom Büro der Staatssekretärin als lästig empfunden – und erst auf nochmalige, untertänige Nachfrage lapidar beantwortet: Man arbeite „an kulturpolitischen Leitlinien als Ergebnis des Strategieprozesses. Die Fertigstellung ist für das erste Halbjahr 2024 geplant.“
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler hat ihre Kollegin vom Bund in der Zwischenzeit links überholt: Sie präsentierte am Montag die „Wiener Kulturstrategie 2030“; diese sei nachgerade „ein Meilenstein“. Die Strategie war eine ähnliche wie jene von Mayer: Man machte sich nicht selbst Gedanken, sondern initiierte einen „offenen Beteiligungsprozess“. Herausgekommen sind bei dieser Parallelaktion acht Handlungsfelder, die sich nicht wesentlich von den Schlagwörtern des Bundes unterscheiden, darunter Fair Pay, inklusive Teilhabe, Diversität, leistbare Kultur, soziale Absicherung, Klimaverträglichkeit, Digitalisierung sowie zeitgemäße Gedenk- und Erinnerungskultur.
Gerade die aktuelle Entwicklung zeige, dass eine permanente Aufarbeitung von Geschichte „unbedingt notwendig ist“, so Kaup-Hasler. Auf die Frage Ihres Tratschpartners, ob es angesichts des zunehmenden Antisemitismus ein Holocaust-Museum in Wien brauche, antwortete sie galant mit einem Querpass an den Bund. Die Stadt mache eh wahnsinnig viel. Dabei ging es in der Frage gar nicht um die Finanzierung. Aber sie hat natürlich recht: Es geht immer nur ums Geld.
Und das ist auch das Grundproblem der beiden „Kulturstrategien“: Diversität, Niederschwelligkit und faire Bezahlung sind nicht Teil einer Strategie, sondern durchaus ehrbare Ziele. Wie man diese erreichen kann, dafür braucht es eine Strategie. Etwa, indem man anderes auf dem Prüfstand stellt: Hat sich diese oder jene Institution überholt? Braucht es zehn Kellerbühnen, von denen jede maximal zehn Vorstellungen im Monat spielt? Ist ein hochsubventioniertes Theater für Disney-Musicals sinnvoll, wenn man die Karten für „Rebecca“ stark rabattieren muss? Doch vor den kulturpolitisch wichtigen Fragen schrecken die Damen zurück. Ihre einzige Strategie lautet: Budgeterhöhung.
Denn mit Geld lässt sich kommod alles verwirklichen: Gratiseintritt in die Museen, mehr Kinderkultur, höhere Honorare, weitere Ateliers und viele Stipendien. Die Kulturstrategie ist also ein Wunschzettel ans Christkind. Ein Holocaust-Museum braucht es trotzdem.
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