Die Geschichte vom Lieben und Sterben
Es gibt da ein paar Szenen in „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, die bekommt man nicht mehr aus dem Kopf.
Etwa, wenn Hazel und Gus, die schnoddrigen, kranken Helden sich beim Essen im Restaurant locker über die Modalitäten ihres bald bevorstehenden Abgangs aus dieser Welt unterhalten: Wie Gus erzählt, dass er vor seiner letzten Krebs-OP die Eltern bat, ihm „einen richtig schicken“ Anzug zu kaufen. „Für den Fall, dass ich ins Gras beiße“. Sie kauften den besten. Aber, so Gus knapp: „Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn anzuziehen.“
Oder wenn Hazel und Gus aneinandergekuschelt einschlafen ... „ein Haufen verhedderter Schläuche und Körper“.
Oder, wie sie nach Amsterdam, zu ihrem Lieblingsschriftsteller, mit nur einem einzigen Koffer fliegen: Einen zweiten können sie nicht tragen. Sie streiten um die Platzverteilung in dem einen Koffer.
Gänsehautgefühl.
Und befreiendes Lachen.
John Green, der Star der amerikanischen Jungliteratenszene, lässt uns über 286 Seiten hinweg lachen und weinen. Mitfühlen, aber nicht sentimental werden. Glück erleben, wenigstens „eine kleine Ewigkeit“ lang.
„Ich finde es wichtig, dass traurige Geschichten mit Humor erzählt werden“, erklärt der 34-Jährige, der schon für seinen ersten Roman „Eine wie Alaska“ mehrfach ausgezeichnet wurde. „Wir sollten uns doch über unsere Emotionen freuen: über unseren Sinn fürs Lustigsein und die Fähigkeit, Freude an den seltsamsten Orten zu finden. Solange wir leben, sind wir in der Lage, auch über Schlimmes zu lachen.“
Zwei 16- beziehungsweise 17-jährige, todkranke Teenager, die sich in einer Krebs-Selbsthilfegruppe kennen- und lieben lernen, als Protagonisten zu wählen, erfordert jedenfalls Mut. Weil von Anfang an klar ist, dass die Geschichte kein Happyend haben wird. Weil es viele Menschen gibt, die von vornherein sagen: Über so etwas Trauriges möchte ich nicht lesen. Weil zarte Teenagerliebe und unheilbare Krankheit nicht wirklich gut zusammenpassen.
Doch Green, ein nicht zuletzt durch seinen erfolgreichen Videoblog mit mehr als einer halben Million Abonnenten erfolgsverwöhnter junger Mann, traute sich. „Erste Liebe, erster Verlust, die ganz großen Fragen sind es, die mich beschäftigen. Ich wollte über diese existenziellen Dinge schreiben.“
Niemals mitleidig
Er fand den richtigen Ton: Green, der vor seiner Schriftstellerkarriere als Kaplan in einem Kinderkrankenhaus gearbeitet hatte, ist in seiner Sprache schnörkellos, komisch und klug. Niemals zynisch, mitleidig oder hilflos. Ein cooler Nerd, der zuspitzt, aber nie übertreibt. Der dem Leser keine Illusionen macht, ihn aber auch nie vor den Kopf stößt. Damit, dass er uns lachen lässt, macht Green das Leiden von Hazel und Gus nicht weniger schrecklich, aber durchaus erträglich.
Der wichtigste Punkt ist wohl, dass Green in jeder Szene und in jedem seiner Dialoge das Gefühl vermittelt, seine jugendlichen Helden wirklich zu mögen und mit ihnen bis zum bitteren Ende mitzuleben.
KURIER-Wertung: ***** von *****
Info: John Green: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ Carl Hanser Verlag. 286 Seiten. Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Ab 13 Jahren. 17,40 Euro.
Es ist ein erschreckender, aber auch faszinierender Gedanke: Was, wenn wir genau über unsere Zukunft Bescheid wüssten? Was in 15 oder 20 Jahren ist? – Keine gute Idee, werden sich die meisten sagen. Ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass man irreversible Fehler macht, relativ groß. Und wer will schon wissen, dass der momentane Traummann dann mit dem hübschesten Mädchen der Schule verheiratet sein wird?
Im Jahr 1996 beginnt für den Teenager Emma die ernüchternde Reise in die Zukunft: Emma hat einen Computer bekommen und ruft ihren Freund Josh zu sich, um ihm zu zeigen, wie man das Internet benützt. Plötzlich kommen die beiden auf eine Seite, die sie noch nie gesehen haben: eine, die am oberen Bildrand einen blauen Streifen mit dem Schriftzug Facebook trägt. Bilder von ihnen sind auf der Seite. Beide sehen darauf schon sehr erwachsen aus – und sie sind nicht mehr zusammen. Josh ist glücklich mit der Schönheit aus der einstigen Parallelklasse, Emma schwer frustriert. Dumm gelaufen.
Sie beschließt, ein bisschen an der Zukunftsschraube zu drehen. Zu ihren Gunsten, versteht sich.
Emmas Sucht, ihre Zukunft zu verändern, reißt mit. Unwillkürlich möchte man ihr zurufen: Lass das jetzt, ändere nichts an deinem Facebook-Profil, das schadet dir nur und du wirst erst recht unglücklich.
Ein gelungenes Gedankenexperiment über Liebe und Desillusionierung, über Emotionen und deren äußerst riskante Preisgabe im Internet.
KURIER-Wertung: **** von *****
Über uns Stille. Sirenen heulen, eine grobe Männerhand rüttelt an Scotts Schulter: „Aufstehen! Schnell!“ Dad mahnt zur Eile, die Familie muss in den Bunker, an dem er mitgebaut hat. Es herrscht Atombomben-Alarm. Hysterie. Ein Krieg liegt in der Luft.
Ins Amerika des Jahres 1962, auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise, führt US-Bestsellerautor Morton Rhue („Die Wolke“) mit seinem neuen Roman. Als zwei sture Männer an entgegengesetzten Enden der Welt – Kennedy und Chruschtschow – die Fäden in der Hand hielten, über den Untergang der Welt zu entscheiden. Was wäre gewesen, wenn es wirklich zu einem Atomkrieg gekommen wäre?Hautnah und packend lässt Rhue uns dieses Szenario aus der Perspektive eines Zwölfjährigen, der mit seiner verletzten Mutter und vielen anderen im Bunker sitzt, erleben. Kein leichtes, aber ein packendes Buch, das zur Auseinandersetzung mit dem immer aktuellen Thema Atomgefahr anregt.
KURIER-Wertung: **** von *****
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