Comic "Die Frau als Mensch": Wegen üppiger Busen ins Eck gestellt


Stimmen Sie einer Datenverarbeitung von BotTalk UG zu, um diesen Inhalt anzuzeigen.
Im British Museum ist Aphrodite in „ihrem“ Raum von lauter Männerfiguren umgeben. „Sieh dich um, Kleines! Wir sind nun mal die Macher!“, sagen die lorbeerbekränzten, armlosen Herren in Ulli Lusts Comic „Die Frau als Mensch“ (Reprodukt). Und: „Geschichte wurde von Männern geschrieben!“ Die Doppeldeutigkeit dieser Aussage stößt die spannende historische Erzählung dieses „Graphic Sachbuchs“ an. Denn Lust konzentriert sich erst einmal auf die „paar kleinen Figurinen in den Museumsvitrinen“, die nicht aufhören, „die Legende von der natürlichen Dominanz des Mannes zu widerlegen“.

30.000 Jahre galt das Bild der Frau als Repräsentation des Menschen
Auch Frauen jagten
Eine davon kennt man hierzulande nur zu gut: die Venus von Willendorf. Die üppige Frauenfigur ist nur eine von vielen. Statuetten dieser typischen Form waren in der Eiszeit von Südfrankreich bis Sibirien verbreitet. Nur Tiere wurden häufiger dargestellt als Frauen, über 30.000 Jahre lang. So unvorstellbar lang galt das Bild der Frau als Repräsentation des Menschen, nicht der Mann. Endgültig der Garaus wurde der ganz offensichtlich wichtigen Rolle der Frau in der Frühzeit Ende des 19. Jahrhunderts gemacht: als die Psychoanalyse die Bildnisse der großen Busen wegen in die Ödipus-Ecke stellte und dort trefflich verdrängte.
Lust räumt mit der Vorstellung auf, dass nur Männer jagen konnten und so für den Arterhalt sorgten. Vielmehr waren die Menschen der Eiszeit Universalisten, bei denen jeder alle Fertigkeiten beherrschen musste.
Empathie ist menschlich
Ulli Lust, die österreichische Zeichnerin, die 2010 mit der autobiografischen Graphic Novel „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ zu bis in die USA reichendem Comic-Ruhm kam, geht hier auf eine herausragend spannende Reise in die Frühgeschichte. Sie geht von der These aus, dass es das „Weiblich-Empathische“ und nicht das „Männlich-Kriegerische“ war, das die Hominiden so weit gebracht hat; dass das Prinzip des Zusammenarbeitens das ist, was das Menschliche ausmacht. Kurz gesagt, dass ohne Frauen die Menschen eh ausgestorben wären. Dafür liefert sie Argumente aus der Primatenforschung wie aus Alltagsbetrachtungen.
Lust geht auch da hin, wo alles begann – nach Afrika. Eine der faszinierendsten, wenn auch deprimierendsten Passagen des Buchs widmet sich den Khoisan, Buschleuten aus Botswana, die bis vor Kurzem als Nachfahren der Frühzeitmenschen jagend und sammelnd durch die Kalahari-Wüste zogen. Dann wurde ihnen das Jagen verboten – für Touristen galt dieses Verbot freilich nicht.
Eine packende Erzählung der Menschheits- und Kulturgeschichte, vorbei an üblichen Deutungen. Optimale Wissenschaftsvermittlung, die noch einen zweiten Band bekommen soll.
Kommentare