"Die Flucht in Bücher ist was Schönes"

"Die Flucht in Bücher ist was Schönes"
Florian Weber, im Hauptberuf Schlagzeuger bei Sportfreunde Stiller, legt mit "Grimms Erben" seinen zweiten Roman vor.

Einen Pfefferminztee, bitte!“ Skeptisch blickte Florian Weber auf, legte die Speisekarte zur Seite und stellte seine soeben getätigte Bestellung in Frage: "Gibt es eigentlich etwas Langweiligeres als Pfefferminztee?“ Ähm. Nein. Gelächter.
Aber für ein Bier war es dem 38-jährigen Münchner mit Nasenring und Kappe am Kopf wohl noch zu früh – außerdem musste er an diesem Tag noch weitere Interviews geben und eine Lesung im Literaturcafé Phil absolvieren. Der Grund für seinen Wien-Besuch war sein neues Buch "Grimms Erben" (Walde + Graf). 
Darin erzählt der Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller auf über 400 Seiten drei auf den ersten Blick nicht zusammenhängende Geschichten, deren Handlungen und Schicksale im Schlusskapitel zusammengeführt werden - alles hängt irgendwie zusammen.

Weber fabuliert lebendig, witzig, spielt mit unterschiedlichen Märchenmotiven und lässt oftmals die Gerechtigkeit siegen. Den moralischen Zeigefinger will er dabei aber nicht heben. "Trotzdem bin ich unglaublich gerechtigkeitsliebend. Bei mir braucht es nicht viel, damit ich total sauer bin. Wenn zum Beispiel einer nicht grüßen kann oder ungerecht gegenüber anderen ist, dann schreite ich immer gerne ein", sagt Weber.

Neben dem Kampf für eine bessere Welt, Auftritten und Proben mit seiner Band Sportfreunde Stiller, hat der Familienvater Florian Weber auch noch sein zweites Buch geschrieben. Vier Jahre hat er dafür gebraucht  – von der Buchidee über das Konzept bis hin zum nun vorliegenden Roman "Grimms Erben".  Dass das Buch im selben Jahr veröffentlicht wird, in dem am 20. Dezember 200 Jahre "Grimms Märchen" gefeiert werden, ist natürlich ein „vortrefflicher Zufall“, so Florian Weber im KURIER-Interview.

Wie kommen Sie mit den Ungerechtigkeiten des Lebens klar?
Florian Weber:
Zum einen kann ich auf meinen Mikro-Kosmos Einfluss nehmen. Zum anderen kann ich mich auch für Gerechtigkeit einsetzen – zum Beispiel als Schlagzeuger von den Sportfreunden Stiller. Als Band bekommen wir mehr Gehör. Vor kurzem haben wir uns in München auch dafür eingesetzt, dass ein Fußballplatz, bespielt von einem Hort und Kindergarten, nicht abgetragen und stattdessen ein Haus darauf errichtet wird. Kindern ihren Freiraum zu nehmen ist ein Punkt, der mich wirklich sauer macht. Oder wir unterstützen auch immer wieder den Verein "Laut gegen Nazis". Mit den Sportfreunden Stiller habe ich viele Möglichkeiten, mich für gewisse Sachen einzusetzen. Den Weltfrieden kann ich damit nicht herbeizaubern, aber ich kann in meinem Umfeld dafür sorgen, dass mehr Gerechtigkeit herrscht.

Wie kam es zur Buchidee?
Das erste Buch "You'll Never Walk Alone" war ein Fußballmusik-Roman, der mir selbst sehr nahe stand und viel mit meinem eigenen Leben zu tun hat. Bei "Grimms Erben" waren die Grundgedanken folgende: Einerseits springt im Jahr 1943 der Deutsche Deserteur Ignaz Buchmann ins Warschauer-Ghetto und sucht nach einer bestimmten Person – und zwar nach Raffael Krupp. Andererseits wollte ich eine Figur erfinden, die sich in der Neuzeit unglaublich gedemütigt und diskriminiert wird und einen Rundumschlag fabriziert, der alle baff dastehen lässt. Diese beiden Text-Konstrukte wurden von einer dritten Geschichte geerdet und in der vierten zusammengeführt. Inspiriert wurde ich dabei von Büchern wie David Mitchells "Cloud Atlas", das bereits verfilmt wurde und zurzeit auch im Kino zu sehen ist. Oder Daniel Kehlmanns "Ruhm".

Ihre ersten Berührungspunkte zur Literatur?
Ich war in der Jugendzeit furchtbar unbelesen. Und die Kombination aus Leseverweigerung und einem bayrischen Dialekt war furchtbar und dementsprechend schlecht waren auch meine Noten in der Schule. Als ich dann anlässlich des Sportstudiums mit meiner Schwester zusammengezogen bin, kam ich zum erstem Mal mit Literatur in Berührung: Sie hat Wände voller Bücher.

 

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In "Grimms Erben" tauchen die Protagonisten immer wieder in Märchen- und Phantasiewelten ein. Sind diese "Träumerein" auch heute noch möglich?
Weber: In der heutigen Zeit ist viel zu wenig Zeit vorhanden, um sich in Geschichten zu verlieren – sich vom Alltag wegzuträumen. Die Flucht in Bücher ist aber etwas ganz was Schönes.

Haben Sie ein Lieblingsmärchen?
 Ja, "Tischlein deck dich". Die Vorstellung einen Tischlein zu haben, der immer mit vielen Speisen gedeckt ist, fasziniert mich. Dazu einen Goldesel an der Seite und einen Knüppel, den ich aus dem Sack lassen kann, wenn mich einer nervt.

Sie beschreiben Szenen, Handlungen und Erlebnisse der Protagonisten sehr bildhaft. Ist der metaphorische Stil absichtlich gewählt worden? 
Der metaphorische Zugang ist meiner Phantasie gewidmet, die sehr ausgeprägt ist und auch mit den Texten bei Liedern zu tun hat. Man muss dort zum Beispiel in wenigen Minuten und Melodiebögen auf den Punkt kommen. Da gefällt es mir eben sehr gut, wenn man den Text bildhaft beschreibt.

Die Phantasie des Lesers wird durch die zahlreichen Illustrationen im Buch weiters angeregt. Für die charmante grafische Gestaltung von "Grimms Erben"  ist Kai Büschl zuständig, der auch schon für viele der Plattencover der Sportfreunde Stiller verantwortlich war. Apropos Sportfreunde Stiller. Wann kommt eine neue Platte? Weber: "Wir werden jetzt in mehreren Etappen die neuen Songs im Studo aufnehmen. Ende Februar sollte alles im Kasten sein. Es fühlt sich bislang sehr gut an, kracht wieder ordentlich und wird 2013 veröffentlicht."

"Die Flucht in Bücher ist was Schönes"
"Die Flucht in Bücher ist was Schönes"

Info: 
Florian Weber: "Grimms Erben"
Roman mit Illustrationen von Kai Büschl
Verlag: Walde + Graf
416 Seiten 
EUR 25.70

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