In Osteuropa gibt es den Aufstand der Flüchtlinge, auch der Behinderten, der ... Abgehängten (sagt man jetzt so). Aus einer Aufpasserin im Heim wird Suppe gekocht, und die schmeckt sogar besser als der bisherige Fraß.Der Roman ist keine Liebe auf den ersten Blick. Nicht wie sonst. Er braucht viel Zeit, um sich aus seinen selbst geschaffenen Wirrnissen zu befreien.
Aber wenn er in ruhigeres Fahrwasser kommt – wenn Groll unter die Piraten gerät, die bei Novi Sad eine Jacht gekapert haben: Dann ist Erwin Riess bzw. dann sind der an den Beinen gelähmte Herr Groll und sein Rollstuhl Joseph in ihrem Element.
Selbstverständlich sind sie auf Seiten der Piraten: Das sind aus Heimen in Ungarn und Rumänien geflohene Behinderte, die sich als Zirkustruppe tarnt. Sie haben ein Ziel – Nordafrika. Europäer, die fort wollen, weil es ihnen nicht gut ging.
Ihr Anführer ist erschreckend großartig: Er weiß wie seine Kameraden nichts von der Welt, aber sein Nichtwissen erhebt er zur Kunst. Er kann stundenlang über den Feldherrn Napolinus oder wie der heißt referieren ...
Der wahre Hintergrund der Geschichte machte zu wenig Aufsehen: Die EU förderte staatliche Behindertenheime in Ungarn, und als Kontrollore nach Göd kamen, waren Misshandlungen offenkundig, in Käfigen wurden Insassen gehalten.
Ungarn – ein Vorbild? Erwin Riess schreibt nicht „nur“ mit großem Wissen höchst unterhaltsam, er hat obendrein viel zu sagen.
Erwin Riess:
„Herr Groll und die Donaupiraten“
Otto Müller
Verlag.
320 Seiten.
23 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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