Als geläuterter Nationalsozialist arbeitete Heimrad Bäcker, 1925 in Wien geboren, nach dem Krieg jahrzehntelang mit äußerster Akribie die Sprache und das Vokabular des Dritten Reichs im Zusammenhang mit dem Holocaust auf: Er bündelte Verordnungen, Motive, Ermordetenzahlen und so weiter zu Mustern, Listen – und damit zu konkreter Poesie. Zwei Teile sind unter dem Titel „nachschrift“ entstanden.
„Es genügt, die Sprache der Täter wie der Opfer zu zitieren“, meinte Heimrad Bäcker. „Es genügt, bei der Sprache zu bleiben, die in den Dokumenten aufbewahrt ist.“
Regisseur Bernd Liepold-Mosser dürfte es nicht genügt haben: Er brachte Passagen aus „nachschrift“ als „Sprachoper“ zur Uraufführung – am Dienstag im Nestroyhof Hamakom in Kooperation mit Flying Opera. Aurel Lenfert hat für diese fünfviertel Stunden lange Performance ein ansprechendes wie sinnfälliges Bühnenbild gebaut: Bedrohliche Türme aus Karton-Archivboxen sonder Zahl umzingeln einen Bösendorfer.
Bloßfüßig setzt sich Clara Frühstück an den Flügel. Zu romantischen Weisen beginnt Patricia Aulitzky mit dem Herunterbeten aller Parkflächen und Gärten von Wien. Diese zu betreten war den Juden bekanntlich verboten worden.
Aulitzky belässt es aber nicht beim nüchternen Aufsagen: Sie legt, sicher auf Anweisung des Regisseurs, bei manchen Orten schwärmerisches Gefühl hinein. Mit ihr steht ein zarter Conférencier auf der Bühne: Das weiße Männer-Hemd wie der Smoking viel zu groß, die Krawatte lose baumelnd, das Haar strähnig nach hinten frisiert. Aulitzky gibt sich alle Mühe, Befehle durchs Megafon zu brüllen. Und sie macht auf Macho, lümmelt breitbeinig, streift sich übers Kinn. Das alles hätte es nicht gebraucht.
Präpariertes Klavier
Doch spannend ist die Diskrepanz zwischen ihrer unschuldigen Erscheinung und den immer wieder erschreckenden Inhalten. Den richtigen Ton trifft Clara Frühstück: Dem präparierten Klavier entlockt sie bedrohlich-knarrende Geräusche, mit Händen und Ellenbogen klopft sie wild auf den dumpf hallenden Corpus, mit Todesfugen macht sie die Vernichtungsmaschinerie geradezu hörbar. Eine insgesamt bedrückende Darbietung, mit viel Jubel bedacht.
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