Der „freiraum Q21“ im MuseumsQuartier ist als Ausstellungsort dafür gut gewählt. Ist der Trakt doch selbst zwischen den nahen Galerien und Museen des traditionelleren Kunstbetriebs und anderen Orten kreativen Schaffens positioniert. Die „Annäherung“ ist auch institutioneller Natur: Denn trotz des Geredes über verschwimmende Grenzen bleiben sich Kunst und Pop-Betrieb in der Regel fremd. Viele der gezeigten Kunstschaffenden seien Autodidakten und Quereinsteiger, erklärt Kurator Jannik Schäfer – aus der Perspektive des museal-galeristischen Komplexes sind es Unbekannte. Nichtsdestotrotz produzieren sie interessante Werke, die für sich selbst stehen können – exemplarisch seien Stefan Marx’ Zeichnungen und Neven Allgeiers Fotos genannt.
Wie in der Schau nachvollziehbar wird, docken die Kunstschaffenden auf verschiedenen Ebenen an das "System Bilderbuch" an: Stefan Marx etwa zeichnete das Single-Cover für den Song "Eine Nacht in Manila" sowie Hintergründe für das zugehörige Video. Seine Kunst taucht später auch in einem Bühnenhintergrund für Bilderbuch auf - aber auch auf Skateboards und, nun in der Ausstellung, auf neu angefertigten Vasen. Anders als viele Künstler des "etablierten" Betriebs, die an so genannter Gebrauchskunst ungern anstreifen, findet Marx die Welt von Fan-Artikeln und Memorabilia durchaus reizvoll.
Während also Kunstsnobs ihre Kriterien hinterfragen dürfen, erleben alle anderen bei „Approximation“ eine atmosphärisch gelungene Ausstellung, die viele Fallgruben musealer Pop-Präsentationen umfährt: Es gibt Original-Bühnensets, aber keinen Reliquienkult á la Hard Rock Café – ein zentrales Ausstellungsstück, die so genannte „One Earth“-Bühne mit Winkekatzen, Lavalampen und leuchtenden Globen, muss gar während der Laufzeit viermal abgebaut werden, weil sie für Konzerte gebraucht wird.
Es gibt auch Einblicke in die Imagebildungsmaschine der Band – etwa jenes Foto, für das sich Sänger Maurice Ernst anlässlich der zwei Schönbrunn-Konzerte der Band 2019 in ein Sisi-Kostüm warf. Doch auch diese Exponate zeigen nur, dass Bilderbuch und ihre Mitstreiter mit Bildern ebenso gekonnt hantieren, wie sie es in der Musik mit Sounds und Pop-Stilistiken tun.
Dass sie damit allein auf weiter Flur stünden, wie der Projektinitiator Klaus Krobath insinuiert, stimmt zwar nicht: Sein Vergleich zwischen dem Bilderbuch-Universum und der "Factory", in der einst Andy Warhol mit Lou Reed und The Velvet Underground genreübergreifend arbeitete, ist schon deshalb unglücklich gewählt, weil Bilderbuch kein typisches "Atelier" oder dergleichen an einem spezifischen Ort betreiben. Ihre Kollaborateure sind in ganz Europa und darüber hinaus verteilt, die Band selbst tourt viel, die Zusammenarbeit kristallisiere sich da oder dort an bestimmten "Ballungspunkten", wie Kurator Jannik Schäfer sagt.
Weltoffen
Die nun in der Schau via Rauminstallation umgesetzte Aktion "BilderbuchEuropa", bei der die Band im Web mehr als 360.000 eigene "europäische" Pässe ausstellte, ist wohl auch Ausdruck einer gelebten Offenheit, die ganz dicht mit dem nomadischen Leben der Musiker (und vielen Menschen ihrer Generation) verbunden ist.
Auch der sonst häufig zu beobachtende Transfer zwischen Pop und bildender Kunst, bei dem sich Künstler ein wenig Massen-Appeal aus der Popwelt holen und den Stars im Austausch dafür ein wenig elitäres Renommee abgeben, scheint auf Bilderbuch nicht zuzutreffen: "Approximation" zeigt einfach, wie kreative Arbeit heute funktionieren kann. Auch für Besucherinnen und Besucher, die keine Fans oder Eingeweihte des Bilderbuch-Kosmos sind.
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