Die Ballade vom Wiener Robin Hood

Romantische Lieder zur Verbrecherballade: Jherek Bischoff (Komposition, li.), Alexander Charim, Regie
Das Schauspielhaus Wien zeigt ab heute das Singspiel "Johnny Breitwieser".

Es ist der Stoff, aus dem Filme gemacht sind: Ein gut aussehender Bursch aus dem Arbeitermilieu wird zum Räuber, um seine Angebetete mit einem feschen Anzug beeindrucken zu können. Er wird zum Einbrecherkönig, Herzensbrecher und Volkshelden, der, neben der Befriedigung eigener Wünsche, tatsächlich auch Brot an Arme verteilt.

Die Sehnsucht nach einem behaglichen, ruhigen Leben wird ihm zum Verhängnis: Er wird von der Polizei in seinem mondän ausgestatten Haus am Stadtrand gefunden und mit 28 Jahren erschossen. Er war gerade dabei, sein Fahrrad zu putzen, mit dem er nachts von Sankt Andrä aus nach Wien zu Diebstouren aufzubrechen pflegte. Seine letzten Worte laut Reporterlegende Egon Erwin Kisch: "Net schießen, i tu eh nix mehr."

Die Geschichte des Johann "Schani" Breitwieser ist nicht nur filmreif, sondern auch wahr. Er lebte und raubte inmitten jener entsetzlichen Not, die vor dem Ersten Weltkrieg herrschte und auf die Monarchie-Nostalgiker gerne vergessen.

Märtyrer

Geboren 1891 in Meidling als sechstes Kind einer zwölfköpfigen Familie, verbrachte er seine Zeit auf der Straße und auf dem Friedhof, wo er sich auf die Gräber gelegt haben soll, um den Toten sein Augenlicht zu leihen.

Schnell wird er vom Kleinkriminellen zum "Meidlinger Einbrecherkönig", der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Mehrmals entkommt er scheinbar mühelos aus polizeilichem Gewahrsam und operiert aus dem Untergrund. 1919 wird er von der Polizei erschossen und vom Volk zum Märtyrer erkoren.

Dramatiker Thomas Arzt hat aus dieser rasanten Verbrechervita eine Ballade über Rebellion gegen die Verelendung in politisch prekären Zeiten geschrieben. Unter der Regie von Alexander Charim und mit Musik von Jherek Bischoff zeigt das Stück Breitwieser als Verführer, Gangsterboss, Volkshelden und Familienmenschen. "Komm wir holen, was uns zusteht", heißt es im Text. "Das war Breitwiesers sehr direkte Art, zu sagen: Ich war mein Leben lang arm, jetzt nehme ich mir, was mir zusteht", sagt Regisseur Charim über die Verbrecherstory, die zur Parabel vom Kampf gegen die Verhältnisse wird. Es sei "ein guter Zeitpunkt, um diese Geschichte zu erzählen, denn Wien wird der Stadt, die sie zu Breitwiesers Zeiten war, immer ähnlicher", erläutert Charim. "Nicht nur wegen der Bevölkerungszahl, sondern auch, weil man diese Trennung – die Armen in der Vorstadt, die Reichen in der Innenstadt – jetzt wieder stark spürt. Noch in den 80ern gab es eine viel sichtbarere Mittelschicht." Außerdem gebe es für die Geschichte, die hier erzählt wird, wenig Bilder. "Das Fin de Siècle, das wir im Kopf haben, ist jenes von Freud, Hofmannsthal und Sisi. Was diese Stadt außerdem war, nämlich ein vibrierender Ort mit einer Vorstadt, die Orten wie Neapel näher als herkömmlichen Wien-Klischees war, ist heute wenig präsent."

Musikalisch bebildert hat der junge US-Pop-Komponist Jherek Bischoff die Verbrecherballade: Er schuf eine melancholisch-orchestrale Musik mit Streichquartett und Percussion als Live-Elementen. Die im Stil des Film Noir erzählte Geschichte des Auf- und Abstiegs eines Mannes, für den vorpolitischer Klassenkampf, aber auch schöne Frauen, Partys, und Schmuck zählten, ist natürlich auch ein romantisches Stück, sagt Bischoff. "Sie sehen ja schon an meinen Haaren, dass ich so was mag. Es wird romantische und traurige Lieder und auch welche zum Mitsingen geben."

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