Avantgarde ist auch nur ein Schimpfwort

Yolandi Visser von "Die Antwoord"
Die schrille südafrikanische Rap-Rave-Partie Die Antwoord hat ein neues Album.

Es wurde ja so vieles versprochen, das die digitale Revolution für den Musikfan positiven Neuerungen mit sich bringen würde: So sollten die Musiker dank Internetdirektvermarktung aus dem vermeintlichen Joch der großen Labels befreit werden. Und daraufhin endlich jene mutige und freie Musik machen können, die ihnen die Marketingnotwendigkeiten der großen Labelapparate zuvor verunmöglicht hatten.

Oder so.

Das Gegenteil ist eingetreten: Fad und feig bettelt ein Gutteil des Pop um die Cents, die sich online verdienen lassen. Es wird wiedergekäut und glattgebügelt.

Und dann gibt es Die Antwoord. Das südafrikanische Trio ist eine grellbunte und auch ziemlich lustige Korrektur für diejenigen, die glauben, dass Lady Gaga schrill, The Prodigy wüst oder Kanye West mutig ist.

Die Antwoord sind ganz woanders: Sie überdrehen auf voller Lautstärke all das, was man an Rap, elektronischer Tanzmusik und dem begleitenden Unterschichten-Gestus mühsam finden kann. Und schmeißen das mit voller Wucht dem Hörer um die Ohren. Dazu noch eine völlig eigene Optik zwischen Zukunft und Gosse: Wie eine wildgewordene Mini-Lillifee flucht Sängerin Yolandi; Rapper Ninja hat sich nach einer Figur aus einem düsteren Cyberspace-Roman benannt. Beide schießen zu großspurigen Tanzbeats ein Schimpfwörter-Dauerfeuer ab, das den Mundl erblassen ließe.

Da kann man viel lernen.

Realsatire

Was genau, ist egal: Längst hat sich die Realität jener Satire genähert, die am Anfang von Die Antwoord stand. So ist auf dem neuen Album, "Mount Ninji And Da Nice Time Kid" wirklich schon alles möglich: Es gibt einen Broadway-Song über Ratten, einen sehr jungen Gastrapper, der sich Flügel für seinen Penis wünscht, und Dita von Teese, die ein ordinäres Wortspiel vor sich hinsingt.

Konventionen sind etwas für Anfänger: Die Antwoord sind all das, wovor unsere Eltern gewarnt hatten, bevor sie selbst begannen, zu Raves zu gehen. Nicht abschrecken lassen, wenn das Album bei den Fans wegen gefälligeren Momenten in der Kritik steht: Für den Freizeit-Pophörer erfordert das Wagemut. Es heißt anschnallen für einen ironischen wie zornigen Musik-Extremtrip zwischen Spießer-Alptraum und Avantgarde, der auch Alternativ-Gescheiterln plötzlich zum Großraumdisco-Beat tanzen lässt.

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