Vor wenigen Tagen wurden erstaunliche Zahlen des Zürcher Schauspielhauses, geleitet von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, bekannt: Statt budgetierter fünf Millionen konnten nur deren drei erlöst werden. Und das Haupthaus, der Pfauen, war mit einer Auslastung von 48 Prozent mehr als halb leer.
Alexander Giesche ist dort Hausregisseur. Der Münchner, 1982 geboren, bringt also ideale Voraussetzungen mit, um am Wiener Volkstheater zu inszenieren. Die in ihn gesetzten Erwartungen, das Publikum in zweieinhalb pausenlosen Stunden über das erträgliche Maß zu langweilen, übererfüllte er am Freitag mit der Umsetzung von „Die Angestellten“ der dänischen Lyrikerin Olga Ravn als „Visual Poem“.
„Die Angestellten“ will ein Roman über die Arbeit im 22. Jahrhundert sein: Auf einem Raumschiff koexistieren Menschen und – laut Volkstheater-Ankündigung – „Roboter“, die aber eigentlich „Humanoiden“ sind, nebeneinander. Doch bei einer Expedition auf dem Planeten „Neuentdeckung“ sackt man in bester Kolonialismusmanier sonderbare „Gegenstände“ ein. Und diese lösen bei der Besatzung einiges aus.
Nun geht es nicht mehr um Produktivität oder Effizienzsteigerung: Es erwacht eine verzehrende Sehnsucht nach Menschlichkeit – und der Erde. Was dazu führt, dass die „Organisation“ eine Kommission entsendet, um die Vorfälle zu untersuchen. Der mosaikartige Roman besteht aus nichts als zensierten Zeugenaussagen der Kadetten, Jäger, Mechaniker und Piloten im Laufe von 18 Monaten. Zum Schluss sind die Menschen tot, die robusteren Humanoiden hingegen können vielleicht neu gestartet werden.
Im Volkstheater wird das gesamte Personal von einem siebenköpfigen Ensemble in zum Teil grellen Latex-Teilen (Kostüme von Felix Siwiński) verkörpert. Eine Übereinstimmung zwischen Sprechenden und Text gibt es so gut wie nicht, Charaktere werden nur im Ansatz herausgearbeitet. Man tanzt lieber minutenlang zu Nummern mit vielsagenden Titeln wie „This Will No Longer Be“ oder „This Is How We Walk On The Moon“ ab. Giesche will ohnedies nur Stimmungen und eine Überfülle an Bildern generieren.
Ein paar Spompanadeln
Sein Raumschiff, die mit grauem Spannteppich ausgelegte Drehbühne, rotiert samt riesiger Videowall und einer baumhohen Baustellenlampe die zweieinhalb Stunden lang ohne Unterbrechung. In kreisender Bewegung befindet sich zudem das zentrale „Ding“, eine weiße, in einer zähen Bewegung erstarrte Keramikskulptur von Ulrike Zerzer.
Seitlich rechts befindet sich eine auf einem Roboterarm montierte Kamera. Vor ihr machen Elias Eilinghoff und seine Mitstreiterinnen eifrig Spompanadeln und Grimassen. Durch irgendwelche Computerprogramme gejagt, entstehen auf den beiden Screens – im Hintergrund „schwebt“ noch ein weiterer – bizarre, fließende Pixel-Malereien. Das ist wie im altbekannten Spiegelkabinett, aber eben in der digitalisierten Variante. Auch mit einer blauen Kaugummidose wird herumgefuchtelt. Dass sie den Namen „Orbit“ trägt, verwundert nicht weiter.
Eine Partie Memory
Im Gegensatz zu den Ars-Electronica-Bilder-Fluten, an denen man sich alsbald sattgesehen hat, stehen Szenen der völlig analogen Welt: Da wird auf einer Scheibe eine Art Vase getöpfert – möglicherweise ein Verweis auf den Golem, ein aus Lehm gebildetes menschenähnliches Wesen der jüdischen Mystik. Und einträchtig spielt das Ensemble eine Partie Memory. Als Erwachsener tut man sich ja schon recht schwer, die Bildpaare – verwendet wird die Emoji-Version mit den Symbolen der Denaturierung – zu finden. Einschläfernd lang dauert das.
Im Dösen (zur Sphären-Musik von Ludwig Abraham) vernimmt man, dass epochale Fragen gestellt werden: Soll man Humanoide wie Menschen lieben? Oder wie Hunde? Völlig egal. Auch das Linzer-Klangwolken-Finale mit Laser und Nebel (längst Standardausrüstung toller Stadionkonzerte) rettet nichts. Wo blieb das versprochene Poem?
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