"Die alten Kracher, die gibt’s noch"

„Als Architekturkritiker muss man ja auch das beschreiben, was man nicht sieht. Alles andere ist ja fad“
Der Literat und Architekturkritiker über sein neues Buch und den baldigen 85er.

Im Mai wird er 85, jetzt ist sein neues Buch da. In "wortgesindel" geht es um Begegnungen im Aufzug, um besoffene Kapuziner und um die Frage, ob man das Jetzt festhalten kann. Darüber und über seine "Alten Kracher" hat Literat und Architekturkritiker Friedrich Achleitner mit dem KURIER gesprochen. Achleitners Frau Barbara hörte zu.

KURIER: Jetzt kommen wieder die Feiern und die Fragen über das Alter. Wie kommen Sie damit zurecht?

Friedrich Achleitner: Eigentlich hab ich’s nicht sehr gerne, aber wenn man dann mitten drin ist, hat man dann doch eine Freud’. Das muss man gestehen, so eitel is’ man.

Sie schreiben in Ihrem neuen Buch, dass das Alter durchaus seine Meriten hat. Welche sind das?

"Die alten Kracher, die gibt’s noch"
112 Seiten 17,40€ Zsolnay
Man ist nimmer so ausgesetzt, wird nimmer so gejagt. Ich hab ja zehn Jahre wirklich viel geschrieben. Da hatte ich irgendwann fast ein Burn-out. Das Leben hat mir gerettet, dass ich ein Berlin-Stipendium bekommen hatte. Dort war ich dann ein Jahr, da waren auch der Gerhard Rühm und der Günter Brus und der Ossi Wiener, also die ganze Wiener Bagage war wieder beieinander, die alle meine Freunde waren und sind. Da hab ich dann den quadratroman geschrieben.

Das war vor mehr als 40 Jahren. Jetzt, mit bald 85, würden Sie sagen, man wird mit dem Alter klüger?

Das glaub ich nicht. Man baut ab. Sicher, Lebenserfahrung macht einen gelassener. Aber das kann man nicht generalisieren. Es gibt sehr lustige und frohe alte Leute und es gibt mieselsüchtige.

Die Altersmilde halten Sie auch für ein Gerücht?

Ja, im Gegenteil. Es gibt die Altersradikalität. Eine gewisse Unduldsamkeit, Starrsinn, das sind typische Phänomene.

Wie ist das bei Ihnen? (Achleitners Frau Barbara lacht laut auf)

Na, ehrlich gesagt, wenn man nimmer ordentlich gehen kann, dann wird man schon ein bissl mieselsüchtig.

Sie haben früher eine Kolumne mit dem Titel "Bausünden" geschrieben. Hätten Sie heute noch Lust, über "Bausünden" zu berichten?

Nein, ich hab mich an der Architektur abgearbeitet. Und die Bausünden, die hab’ ich ja ganz am Anfang, als junger Spund geschrieben, in der Abendzeitung, das war so ein Revolverblattl.

Die Literatur war immer das, was Sie machen wollten. Wieso haben Sie Architektur studiert?

Die Literatur hat mich immer schon mehr interessiert. Weil ich aber die Gewerbeschule absolviert und fast eine Baumeisterprüfung hatte, lag das Architekturstudium näher. Ich habe bis 1958 als Architekt gearbeitet, dann war ich aber schon so verbandelt mit der Wiener Gruppe, dass ich aufgehört habe.

Sehen Sie Ihre Kollegen aus der Wiener Gruppe noch?

Naja, der HC (Artmann, Anm.) ist gestorben, der war ja zehn Jahre älter als ich. Und der Konrad Bayer hat sich umgebracht. Der Wiener lebt in der Steiermark, da komm ich nicht so oft hin, aber den Rühm, den seh ich jedes Mal, wenn er nach Wien kommt. Er lebt in Köln. Jaja, die alten Kracher, die gibt’s noch.

Sie sammeln viele Eindrücke für Ihre Arbeit in der U-Bahn, wo Sie oft mit Gustav Peichl verwechselt werden, wie Sie einmal erzählt haben.

Ja, das passiert immer wieder. Die U-Bahn, das sind die zehn Minuten, wo man sich die Leute anschaut. Ich kann ja nicht lesen in der U-Bahn.

Ab wann ist eine Begebenheit es wert, aufgeschrieben zu werden?

Das weiß ich nicht. Ich kümmer’ mich auch nicht drum. Wenn mir was Schräges einfällt, dann schreib ich’s halt auf, aber beim Schreiben entsteht ja erst die Geschichte. Ein Anlass genügt, und ich stricke die Geschichte weiter. Oft kommen dann Brüche. Da ist noch eine Spur von den frühen Texten aus den Fünfzigern, wo wir uns mit dem französischen Surrealismus beschäftigt haben, wo dieses Automatische eine Rolle gespielt hat.

Sprachforscher Fritz Mauthner hat gesagt, Sprache kann nie die Wirklichkeit beschreiben.

Das war für uns ein Evangelium. Als Architekturkritiker muss man ja auch das beschreiben, was man nicht sieht. Alles andere ist ja fad.

Im Buch geht es auch um die "Ermordung Kafkas" durch einen Schauspieler, der schlecht liest. Wie ist das mit Ihren Texten? Schätzen Sie es, wenn die jemand anderer vorliest?

Warum ned?

Barbara Achleitner: Also, bei den Dialektgedichten bist du heikel!

Friedrich Achleitner: Na, weil die Leut das nicht können! Der Doderer hat immer, wenn er leicht angesäuselt war, Gedichte von mir vorgetragen, mit einem Pathos, das unerträglich war! Da bin i immer unterm Tisch verschwunden.

Sie schreiben, Sie seien für das "Jetzt" immer zu langsam gewesen.

Das ist ein Text für den Gerhard Rühm, der ist ja so ein "Jetzt"-Fanatiker.

Sind Sie ein Mensch, der im Jetzt, im Augenblick, lebt?

Ich habe keine Grenzen. Wenn man sich mit Geschichte beschäftigt, hat das immer mit dem Augenblick und der Zukunft zu tun. Und die Vergangenheit wird immer wieder neu entdeckt. Alles ist ein Kontinuum.

INFO: Buchpräsentation Montag, 9. März, 20 UhrAlte Schmiede, Schönlaterngasse 9, 1010 Wien

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