Diagonale: "Es ging nicht um ein Hipster-Update"

Das bislang jünste Diagonale-Intendanten-Duo: Sebastian Höglinger (li.) und Peter Schernhuber
Die Oberösterreicher Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger, das neue Intendanten-Duo des österreichischen Filmfestivals (8.–13. März), im Gespräch.

KURIER: Sie sind das bisher jüngste Intendanten-Duo der Diagonale und gelten als Vertreter einer "neuen" Generation. Was ist "jung" und "neu" bei Ihrer Diagonale?

Sebastian Höglinger: Zum einen ist es schön, mit diesem "Jungen"-Label zu zu hantieren, obwohl wir beide – Peter ist 28, ich bin 32 Jahre alt – keine Jugendlichen mehr sind. Wir wollen ein junges, aber kein jugendliches Festival machen. Es ging uns auch nicht darum, dem Festival ein Hipster-Update zu verpassen. Stattdessen versuchen wir, sowohl in den Jurybesetzungen wie auch in den Programmen und Diskussionen, einen Dialog zwischen einer nachrückenden Generation und einer etablierten Branche herzustellen. Deswegen haben wir etwa einem Vertreter der "jungen" Doku-Generation wie Sebastian Brameshuber ("Und in der Mitte, da sind wir", Anm.) eine Carte Blanche gegeben, um jemanden seiner Wahl (US-Regisseur Matt Porterfield, Anm.) einzuladen.

Peter Schernhuber: Was bei uns auch mitschwingt, ist das Abrücken von den großen Widersprüchen zwischen Publikumsfilmen und dem innovativen Kino: Wo sind die beiden kommunizierende Gefäße? Man denke nur an den Spielfilm "WINWIN" von Daniel Hoesl, wo Rainer Kohlberger (experimenteller Videokünstler, Anm.) den Trailer dazu gemacht hat. In unserer Sozialisierung gibt es immer John Zorn und Lady Gaga – und diesen Spirit sollte man in unseren Festival spüren.

Diagonale: "Es ging nicht um ein Hipster-Update"
Diagonale
Wie attraktiv ist ein Filmfestival für ein junges Publikum im Zeitalter des Online-Streamings und des Downloads?

Höglinger:Wir sehen es als eine Kernkomptenez der Diagonale, die Protagonisten der Filme mit dem Publikum zusammen zu führen. Das ist der Mehrwert des Festivals.

Schernhuber: So banal es ist – es geht um ein kollektives Anschauen. Wenn das Gartenbaukino "Ghostbusters" zeigt, gehen 700 Leute hin. Es gibt scheinbar noch das Faszinosum, Filme im Kino anzusehen. Und ein Festival bietet mehr als nur das Event; Filme werden kontextualisiert, in Diskurse eingebettet ... Die Besucherzahlen der Diagonale sind steigend.

Es gibt ein Gespräch mit Michael Haneke. Wie wichtig sind "große" Namen für ein Festival?

Schernhuber: Große Namen sind wichtig – und das kann man offen sagen. Weniger aufgrund des Promi-Faktors, sondern weil sie sehr viel geleistet haben und uns – wie im Fall von Haneke oder Ulrich Seidl – ein gewisses Label beschert haben, mit dem wir jetzt arbeiten müssen.

Es gibt den historischen Filmschwerpunkt "Österreich: Zum Vergessen", der sich den Waldheim-Jahren widmet. Warum?

Schernhuber:Der Ausgangspunkt war die Überlegung: Was sind die neuralgischen Punkte der österreichischen Filmgeschichte? Das war für uns ein schlüssiger Kniff, um als österreichisches Festival auf die Gegenwart zu reagieren: Nicht ein Flüchtlingsprogramm zu zeigen, sondern längerfristige Beobachtungen einzuschieben. Wenn man sieht, was an der griechisch-mazedonischen Grenze passiert und wie in Österreich darauf reagiert wird – das sind ähnliche Mechanismen wie damals (die Wahl von Waldheim zum Bundespräsidenten, Anm.), die zum nationalen Schulterschluss, zu einem "Wir sind wir" führten.

Dazu zeigen Sie von Elisabeth T. Spira eine ORF-"Alltagsgeschichte – Am Stammtisch".

Höglinger:Diese "Alltagsgeschichte" von 1988 erzählt von den Stammtischkulturen, in denen latenter Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit spürbar wird. Die Folge wurde damals nicht ausgestrahlt. Wir sind während der Recherche zu den Waldheim-Jahren darauf gestoßen. Es war ein langes Hin und Her, ob wir die Folge überhaupt zeigen dürfen – aber es ist schön, dass es geklappt hat.

Sie haben die Programmschiene der "Personale" in ein "Zur Person" umgewandelt. Warum?

Höglinger: Die Personale war immer einer österreichischen Regie-Persönlichkeit gewidmet. Doch wir kamen zu der Überlegung, dass Filmgeschichte von vielen Personen geschrieben wird. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, alle Departments zu würdigen, was die Reihe dynamisch macht. In Zukunft könnte es auch ein Filmkritiker oder eine Filmwissenschaftlerin sein.

Was interessiert Sie besonders an der Produzentin Gabriele Kranzlbinder?

Schernhuber: Sie hat ein bemerkenswert facettenreiches Portfolio, das von Dokus von Hubert Sauper bis hin zu Spielfilmen wie der "Josef-Trilogie" von Thomas Woschitz und innovativem Kino reicht. Das ist sehr untypisch. Außerdem hat sie ein Nahverhältnis zur Popkultur, etwa durch die Zusammenarbeit mit der Kärntner Band "Naked Lunch" und Oliver Welter – das interessiert uns sehr.

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