Als er in der britischen Hauptstadt sein Musical zu schreiben begann, war der Brite, der heute in Neuseeland lebt, gerade ohne Job. Zuvor hatte er sich als Schauspieler mit kleineren Rollen in Musicals durchgeschlagen. Die Idee zu einer eigenen Produktion kam dem Science-Fiction- und Horror-Film-Fan, als er als Unterhalter auf einer Weihnachtsfeier auftreten sollte. „Ich habe einen Song geschrieben und ein paar Gags eingebaut“, sagte er. „Dafür gab es viel Gelächter und Applaus.“
Dieser Song war „Science Fiction - Double Feature“ und O'Brien machte ihn zum Prolog für „den Keim einer Idee, die ich für ein Musical hatte“. In dem australischen Regisseur Jim Sharman, mit dem er bei „Jesus Christ Superstar“ zusammengearbeitet hatte, fand er einen begeisterten Mitstreiter. Dass sie mit ihrer humorvollen Hommage an alte Science-Fiction- und Horror-B-Filme einen zukünftigen Klassiker auf die Bühnen bringen würden, konnten die beiden nicht ahnen.
Im kleinen Obergeschoss des Royal Court Theatre, das mit inzwischen 85 Sitzen heute immer noch klein ist, sah das Publikum erstmals, wie die frisch Verlobten Brad und Janet nach einer Reifenpanne im Schloss von Dr. Frank N. Furter Unterschlupf finden, der seine Gäste in ein groteskes Szenario voller Schlüpfrigkeiten verwickelt.
Tim Curry, der am Londoner West End schon im Musical „Hair“ von sich reden gemacht hatte, fand als verrückter, außerirdischer Wissenschafter und „Transvestit vom Planeten Transsexual aus der Galaxie Transylvania“ die Rolle seines Lebens. O'Brien selbst spielte Frank N. Furters buckligen Butler Riff Raff.
Neben dem deftigen Humor voller Anzüglichkeiten machte vor allem die ikonische Musik - mit Songs wie „Hot Patootie - Bless My Soul“ oder „Sweet Transvestite“ - die „Rocky Horror Show“ zu einem Erfolg. Der Ohrwurm „Time Warp“ mit dem einprägsamen „Let's do the time warp agaaaaaaain“-Refrain entwickelte quasi ein Eigenleben und wurde zum Partyklassiker, der bis heute zur späten Stunde auf Geburtstagsfeiern und Hochzeiten gespielt wird, oft mit der dazugehörigen Choreographie aus dem Film.
Nur zwei Jahre nach der Bühnenpremiere kam das Musical als „The Rocky Horror Picture Show“ in die Kinos - mit einigen der Bühnendarsteller vom West End, darunter auch Tim Curry. Daneben spielten unter anderem Susan Sarandon und Rockstar Meat Loaf in dem Film mit. Sharman führte Regie. Anfangs ein kommerzieller Flop, fand „The Rocky Horror Picture Show“ dank Mitternachtsvorführungen nach und nach sein Publikum und entwickelte sich zum Kultklassiker. Das Prince Charles Cinema, ein beliebtes Kino in London, lädt regelmäßig zum Mitsing-Abend ein.
Beim Film genauso wie bei der Bühnenproduktion gehört die Beteiligung des Publikums mittlerweile fest zur Show. Zuschauer verkleiden sich, tanzen den „Time Warp“, schießen mit Wasserpistolen und werfen Konfetti und Klopapier. So wird jede Aufführung der „Rocky Horror Show“ zu einer wilden Party.
Thematisch war die „Rocky Horror Show“ ihrer Zeit weit voraus. Erst seit 1967 waren homosexuelle Handlungen unter Männern in Großbritannien nicht mehr strafbar. Nur langsam änderten sich die gesellschaftlichen Normen in Bezug auf Geschlecht und Sexualität. Das Musical präsentierte - damals fast unerhört - gender-fluide Charaktere, die selbstbewusst und ohne Scham auftraten. Diese Darstellung unkonventioneller Sexualität und die Würdigung der Vielfalt waren bahnbrechend für die 1970er Jahre.
Dass der queere Frank N. Furter als Mörder und Vergewaltiger der Bösewicht des Musicals ist, könnte man problematisch sehen. Aber das wäre zu kurz gedacht. Die „Rocky Horror Show“ ist kein Moralstück. Gegenüber dem stocksteifen Paar Brad und Janet ist der charismatische Schurke eindeutig als Publikumsliebling konzipiert. Frank N. Furter steht dafür, zu sein und zu tun, was einen glücklich macht, auch wenn das von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Currys Performance gilt als Meilenstein für queere Repräsentation in der Popkultur.
Er habe damals nicht beabsichtigt, die LGBT-Bewegung zu unterstützen, räumte Richard O'Brien kürzlich ein, es sei aber „ein angenehmer Nebeneffekt“ gewesen. Die „Rocky Horror Show“ habe allerdings wohl eine befreiende Wirkung auf ihn gehabt, meinte der 81-Jährige, der in seiner Jugend mit seiner sexuellen Identität zu kämpfen hatte.
Dass „The Rocky Horror Show“ ein Erfolg geworden wäre, wenn er sie heute geschrieben hätte, glaubt O'Brien übrigens nicht. „Timing und Glück sind wichtig“, sagte er. „Zeitgeist ist das Stichwort.“ Davon, dass sein Musical 50 Jahre später bei Menschen aller Identitäten und Generationen beliebt ist, ist O'Brien vielleicht selbst ein wenig überrascht. „Es ist einfach nur eine Musicalkomödie, und so lange es rockt und das Publikum lacht - was könnte man mehr wollen?“
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