Der Zauberberg - Von Thomas Mann

Der Zauberberg - Von Thomas Mann
In Thomas Manns Kultroman verbringt ein einfacher junger Mann sieben Jahre in einem Sanatorium und lernt die seltsamsten Figuren kennen.

"Ein einfacher junger Mensch reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Davos-Platz im Graubündischen. Er fuhr auf Besuch für drei Wochen."

Mit diesen zwei Sätzen beginnt Thomas Manns 1924 erschienener Roman "Der Zauberberg": Drei Wochen nur will Hans Castorp seinen Vetter Joachim im Lungen-Sanatorium Berghof besuchen, sieben volle Jahre wird er schließlich dort verbringen. Mit all der Neugierde und Überheblichkeit seiner 24 Jahre beobachtet Castorp anfangs noch diese Welt der Kranken. Rasch aber verfällt er der Faszination des Ortes, und als Hofrat Behrens, der Leiter der Einrichtung, auch auf seinem Röntgenbild einen "feuchten Fleck" auf der Lunge konstatiert, sträubt sich Castorp nicht, sondern lächelt: Das Sanatorium hoch oben am Berg wird zu seinem Schicksal, einem Ort mit ganz eigenen Normen und Regeln.

Hier lernt er die seltsamsten Figuren kennen, etwa Doktor Krokowski, den Psychologen des Sanatoriums, der die Liebe als "krankheitsbildende Macht" interpretiert. Oder den Humanisten Lodovico Settembrini, mit dem er über viele Seiten des Romans philosophische Gespräche führen und der sich zum geistigen Mentor von Hans Castorp entwickeln wird. Settembrini führt ihn nicht nur ins Denken unter "der Sonne der Aufklärung" ein, sondern beschwört seinen Schützling auch immer wieder, das Sanatorium zu verlassen. Denn der Zauberberg hüllt seine Gäste in einen Kokon aus Genuss und Lethargie, er bringt die Patienten dazu, sich in ihrer Krankheit zu verlieren. Aber Hans Castorp ist zu schwach, den Versuchungen zu widerstehen. Besonders in Gestalt der Russin Madame Chauchat, eine Versuchung der erotischsten Art. Erst nach Monaten – während einer großartig gezeichneten Fastnachtsszene – gesteht Castorp seine Verliebtheit und wird von ihr mit dem Titel "prince carnaval" geadelt. Zwischen Festen und täglichen Gelagen wandelt im Berghof aber auch der Tod: Die Patienten husten Blut beim Essen oder erleiden Erstickungsanfälle, Castorps Vetter Joachim stirbt ebenso wie Leo Naphta, der geistige Gegenpol zu Lodovico Settembrini. Der Tod ist ein alltägliches Gespenst im Sanatorium, aber nicht einmal das reißt Hans Castorp aus seiner Lethargie.

Der Zauberberg - Von Thomas Mann
Ein Königreich für ein Bild!

Erst der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zwingt ihn zum Aufbruch: In einem visionär gehaltenen Schlussbild zeigt Thomas Mann ihn als Kanonenfutter auf dem Schlachtfeld. Über den " Zauberberg" ist viel geschrieben worden, auch der Literatur-Nobelpreisträger selbst kommentierte sein Werk: "Diese Krankenwelt dort oben ist von einer Geschlossenheit und einspinnenden Kraft, die Sie ein wenig gespürt haben werden, indem Sie meinen Roman lasen." In eindrücklichen Szenen beschreibt Thomas Mann immer wieder diese "einspinnende" Kraft, etwa in Castorps grandiosem Schneetraum, auf Skiern verirrt in den Alpen, umtost von Stürmen und dem "weißen Nichts". Inspiration für den Roman fand Mann in der Realität: 1912 besuchte er für drei Wochen seine Frau Katja in einem Lungen-Sanatorium bei Davos. Der dortige Arzt empfahl ihm, sechs Monate zu bleiben, um einen Lungenschaden auszukurieren. Der Schriftsteller verlässt – anders als sein Held Hans Castorp – das Haus aber wie geplant und meint später ironisch: "Ich habe es vorge­zogen, den `Zauberberg` zu schreiben."

Die Einzigartigkeit der Romane von Thomas Mann liegt in seiner Fähigkeit zur lebendigen Darstellung einer ganzen Epoche. Ob in den "Buddenbrooks", im dreibändigen Exilepos "Joseph und seine Brüder" oder eben im "Zauberberg", der von der Agonie einer jungen Generation vor dem Ersten Weltkrieg erzählt. Und ein zusätzlicher "Zauber" ist es, der diese Bücher auch nach Jahrzehnten so lesenswert macht: Die einzigartige Magie der Sprache Thomas Manns.

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