Der Theseustempel: Halb leer, halb voll und von Fäden durchzogen
Kunst. „Ich wurde gewissermaßen eingemeindet“, sagt Susanna Fritscher. Die Künstlerin (*1960), deren Installation aus tausenden zarten Silikonfäden bis Oktober – coronabedingt ein Jahr später als geplant – im Wiener Theseustempel zu erleben ist, ist zwar gebürtige Österreicherin, sie übersiedelte aber schon 1983 nach Frankreich und begründete dort ihre Karriere. Dass sie nun doch in Wien ausstellt, liegt am Kurator Jasper Sharp, der mit Fritschers Projekt auch den Schlusspunkt seiner Tätigkeit am Kunsthistorischen Museum (KHM) setzt.
Der von Sharp begründete Verein „Phileas“, dem der in Wien lebende Brite sich nun vollinhaltlich widmen will, kofinanziert Biennale-Teilnahmen österreichischer Kunstschaffender in aller Welt. Die Kuratorin der Lyon-Biennale 2017, Emma Lavigne, hatte Fritscher schon auf ihrer Wunschliste, als Sharp mit ihr in Kontakt trat. Von der Malerei kommend, denkt Fritscher die gegenstandslose Abstraktion in den Raum weiter, dabei experimentiert sie mit Luft, Bewegung und Tönen, aber auch mit „kunstfremden“ Materialien wie spiegelnden Harzen oder eben Silikon.
Der von Fritschers Fäden veränderte Raum des Theseustempels setzt eine Reihe von Interventionen der Künstlerin fort, die auch in der Außenstelle des Centre Pompidou in Metz oder jener des Louvre in Abu Dhabi realisiert wurden: Die Fäden erfüllen den Raum, fangen das durch das Dachfenster einfallende Tageslicht ein und sorgen damit für eine Atmosphäre, die sich ständig ändert. Zugleich lässt sich der Raum entlang eines labyrinthischen Pfades durchwandern: Wer im Raum ist, verschwimmt im Blick der anderen Betrachter nach und nach.
Raum und Zeit
Das Muster, das den Weg der Fäden und den Pfad der Besucherinnen und Betrachter bestimmt, verdankt sich wiederum den Stuck-Blüten an der Decke des Tempels – ein vage vierblättriges Blumenmuster ist gewissermaßen eine Abstraktion des Raums selbst.
Im KHM, wo Querverbindungen zur historischen Sammlung des Hauses gesucht wurden, vergleicht man den Eindruck mit den reduzierten luftigen Innenansichten von Kirchen, die der Niederländer Pieter Saenredam im 17. Jahrhundert malte. Auch musikalische Analogien scheinen in dem atmosphärischen Raum nahe. Fritscher selbst nimmt solche Assoziationen zwar zur Kenntnis, betont aber, dass ihr Werk eben nicht auf bestehende oder gar sakrale Vorbilder referiert: „Es gehört zu meiner Arbeit, Bilder und Referenzen zu entziehen“, sagt die Künstlerin. „Das Werk soll nicht ,bedeuten, sondern ermöglichen, dass die Person, die es begeht, sich selbst begegnet.“
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