Die Kleinstadt-Wichtigen schmeißen sich an den Hochstapler heran (Fabian Krüger; ganz links): „Der Revisor“ im Burgtheater.

© APA/GEORG HOCHMUTH

Burgtheater-Kritik

Gemästete Hühner im Zeitlupen-Slapstick

Alvis Hermanis inszenierte Nikolaj Gogols "Der Revisor" am Burgtheater als Tragödie.

von Guido Tartarotti

09/06/2015, 06:00 AM

Der Kabarettist und Theaterfreund Florian Scheuba urteilte nach der Premiere erbarmungslos: "Marthaler inszeniert Stomp fürs Gloriatheater. Hätte noch Kürzungspotenzial – ca. drei Stunden." Ja, so kann man es auch sehen.

Der lettische Star-Regisseur Alvis Hermanis wollte aus einer Komödie eine Tragödie machen, und das ist keine sehr gute Idee. Jede Komödie ist im Kern sowieso eine Tragödie, die den Notausgang gefunden hat. Betont man den tragischen Aspekt zu sehr, verdunstet der Reiz.

Das zweite Missverständnis dieses Abends besteht in der Annahme, die Tragödie, die Ernsthaftigkeit, die Kunst, dieses kapriziöse Wesen, sei eher bereit, im Saal Platz zu nehmen, wenn man besonders langsam spielt. Aber eine langsam gespielte Komödie wird dadurch nicht automatisch tragischer, bedeutsamer, künstlerisch wertvoller, sie dauert nur einfach länger. Im Burgtheater dauerte ein Stück, das man auch in 90 Minuten runterklopfen könnte, mehr als viereinhalb Stunden (inklusive zweier Pausen).

Auf Basis dieser Missverständnisse entstand dennoch ein interessanter Abend, und zwar wegen der brillanten Schauspieler, allen vorn Michael Maertens, Maria Happel und Dietmar König. Das kennt man ja vom Burgtheater – Dank seiner puren Kraft kann es auch weniger gelungene Regiekonzepte mit Spannung aufladen.

Hermanis zeigt die Menschen einer Kleinstadt, die in ihrer Gier auf einen Hochstapler reinfallen, nicht als korrupte Witzfiguren, sondern als arme, gemästete Hühner mit zu großen Träumen. Rhythmische Einlagen vertreiben ab und zu die drohende Langweile, völlig überzogener Slapstick holt sie wieder zurück.

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