Die „Dreigroschenoper“ ist klassisches brechtsches Belehrungs- und Bekehrungs-Bühnenspiel (bei ehemaligen Gymnasiasten auch unter dem Begriff „Episches Theater“ bekannt und gefürchtet). Die Botschaft macht sich nicht die Mühe, lange Umwege über Psychologie oder Mehrdeutigkeiten zu gehen: Der Mensch wäre ja gerne gut, das geht aber oft nicht, weil ihm das Leben (bzw. der Kapitalismus) keine Chance dazu geben.
Oder, um das abgeschabteste (aber immer noch präzise zwischen die Augen treffende) Zitat des Stücks zu bemühen: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Die „Dreigroschenoper“ wurde aber außerdem von Kurt Weill mit einer unglaublich sexy ins Ohr drängenden Musik ausgestattet: Im Prinzip ist das Jazz, aber als Schlager verkleidet. Bitte, die Großmutter Ihres Autors sang beim Geschirrabwaschen gerne „Und der Haifisch, der hat Zähne ...“ Da ist von politischer Sprengkraft keine Rede mehr, da sprechen wir längst von Volksliedern!
Neuinszenierung
Das Theater in der Josefstadt versuchte sich jetzt an einer Neuinszenierung, die am Sonntag im Rahmen der Reihe „Wir spielen für Österreich“ auf ORFIII gezeigt wurde. Wenn das Live-Publikum ab 19. Mai dann hoffentlich wieder ins Theater darf, werden sich einige vermutlich wundern. Denn in den Wiener Kammerspielen, vor gar nicht allzulanger Zeit der Hort für gepflegtes Schenkelklopfen, darf jetzt tatsächlich Bertolt Brecht ins Haus.
Regisseur Torsten Fischer, Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos (Bühne und Kostüme) und Manfred Grohs (Licht) quetschen das Stück ganz gut in die kleine Bühne hinein, Laufstege täuschen Räume vor, die Geschichte wird aber komödiantischer, weniger gefährlich.
Claudius von Stolzmann sieht mit weiß geschminktem Gesicht (und Galgen-Narbe) aus wie ein Batman-Bösewicht, spielt aber einen großartigen, mephistophelischen Macheath.
Herbert Föttinger ist ein kraftvoller Peachum, Maria Bill beeindruckt als dessen Frau bei ihrem Comeback sowohl gesanglich als auch schauspielerisch. Swintha Gersthofer als Polly und Susa Meyer als Spelunkenjenny berühren. Überhaupt ist das darstellerische Niveau hoch.
Das auf Bandformat reduzierte „Orchester“ spielt makellos, dennoch wirkt die Musik irgendwie ... kleiner.
Fazit: Eine sehenswerte, toll gespielte und gesungene, aber ein wenig gemütliche Aufführung.
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