Der erste Roman über den Raketenpionier Hermann Oberth

Der erste Roman über den Raketenpionier Hermann Oberth
Über Hitler führte sein Weg in den Weltraum: „Die Erfindung des Countdowns“ von Daniel Mellem geht ihn nach

„Der Schäßburger Sommer des Jahres 1899 war heiß wie immer.“

Nach einem derartigen Eröffnungssatz fällt es schwer zu glauben, dass es um den Weltraum gehen wird.

Aber dem Physiker Hermann Oberth aus Schäßburg in Siebenbürgen ist das Abheben zumindest theoretisch gelungen. Der Roman „Die Erfindung des Countdowns“ wird sich mehr in den menschlichen Niederungen aufhalten.

Verraten

Es ist das Debüt von Daniel Mellem aus Hamburg, 33 Jahre alt und ebenfalls studierter Physiker.

Über Hermann Oberth (1894 – 1989, Foto oben aus dem Todesjahr) gibt es relativ wenig „Material“. Mellem füllt nahtlos die Lücken. Das ist Roman und Biografie, beides sorgt für Zufriedenheit.

Laut Zitat des Buchpreisgewinner Saša Stanišić, hinten aufs Buch gedruckt, hat der Kollege „eine Rakete gezündet!“ Klingt sehr gut.

Aber glücklicherweise ist das Gegenteil der Fall, denn nur langsam wird das Bild eines Wissenschafters entwickelt, der seinen Traum einer Mondrakete von Kindheit an verfolgt, belächelt im Ersten Weltkrieg, verspottet von Professoren in Göttingen.

Und der dann seinen Traum verraten hat: Oberth kroch in die Nationalsozialisten – Raketen können ja auch Waffen sein, mit denen Deutschland den Krieg gewinnt.

Er hat Hitler einen Brief geschrieben, in dem er sich anbiederte. In Peenemünde, wo die V2 entwickelt wurde, hatte er aber nichts zu reden, hier hatte sein ehemaliger Schüler Wernher von Braun das Sagen.

Auch nachher, in Amerika, ist Hermann Oberth nicht direkt am Apollo-Programm beteiligt. Aber er war der Grundlagenforscher, für die Terrorwaffe und für Apollo 11. Praktiker war er keiner – als technischer Berater bei Fritz Langs Film „Frau im Mond“ (1929) engagiert, sollte anlässlich der Premiere seine Rakete abheben. Sie explodierte.

Im Alter, zurück in Deutschland, wurde Oberth Mitglied einer rechtsextremen Partei und unterstützte Kriegsverbrecher finanziell. Dass sein Sohn an der Front „gefallen“ war, hielt er für einen sinnvollen Tod. Zuletzt beschäftigtet er sich mit UFOs.

Kann es Besseres geben für einen Schriftsteller als eine solch zwiespältige, tragische Gestalt? Mellem nimmt sich nicht nur viel Zeit für ihn, er vergisst auch dessen Umgebung nicht.

Schau, in Oberths Aschenbecher sitzt eine Fliege und putzt sich; und in Schäßburgs Nachbarort Schaas, da kann man schön wandern, dort fuhr der Wusch durch. Das war die legendäre Schmalspurbahn nach Hermannstadt.

„Ich war nie ein Nazi!“, schreit Oberth.

Seine Frau, die ihm immer zur Seite stand – jetzt explodiert sie: „Weil sie dich nicht aufgenommen haben!“

Oberth hatte begeistert mitgemacht. So kann Wissenschaft zum Werkzeug werden.


Daniel
Mellem:

„Die Erfindung des Countdowns“
dtv.
288 Seiten.
23,90 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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