Der amerikanische Teenie-Traum, er ist der reinste Hohn

Vielschreiberin Joyce Carol Oates, polarisiert auf Twitter
Die 77-jährige Joyce Carol Oates weiß noch, wie es ist, ein junges Mädchen zu sein.

Merissa ist beliebt, dünn und hat einen Studienplatz an einer Elite-Uni. Ein perfektes Mädchen mit einem perfekten Leben. Meinen die, die nicht wissen, dass sie einen Sparschäler aus der Küche entwendet hat, mit dem sie sich, viel effizienter als mit der Nagelschere, Verletzungen zufügen kann. Wenn sie das Blut fließen sieht und den Schmerz spürt, dann ist sie erleichtert.

Es hilft ihr darüber hinweg, dass sich ihr Vater kaum daran erinnert, dass sein kleines Mädchen jetzt siebzehn ist. Als sie tatsächlich noch ein kleines Mädchen war, war alles leichter. Sie war Daddys kleine Stupsnase. Heute steht Daddy nur zu seinem Mädchen, wenn es Leistung bringt. Wie ein Rennpferd fühlt sich Merissa. In letzter Zeit wie ein Rennpferd kurz vor der Notschlachtung.

Ganz anders ihre beste Freundin Nadja. Kein willensstarkes, knochiges Rassepferd ist sie . Eher ein weiches, wankelmütiges Mobbingopfer. Man sagt, sie würde sich wahllos mit Burschen einlassen. Wer genau so was sagt? Nun, derlei Gerüchte machen in Zeiten der unsozialen Medien schnell die Runde.

Boshaft

Tink hätte sich das nicht gefallen lassen, sie hätte die Krallen ausgefahren.

Tink, rothaariger, flinker, ehemaliger Kinderstar – mit psychischen Störungen, von denen sie oft erzählte. Sarkastische Scherze hätte sie jetzt wieder gemacht. Doch Tink, die Freundin, ist tot. Sie kehrt in den Tagträumen der Mädchen zurück, flüstert ihnen boshafte, manchmal stärkende Überlebenshilfen ins Ohr.

Das ist wieder typisch Joyce Carol Oates: hinter der Familienidylle steckt immer der blanke Horror. Da geht es auch den Teenagern nicht anderes. Wenn sie draufkommen, dass Daddys Mütter verlassen, Freundinnen haben, Pornos schauen. Mit Hauptdarstellerinnen, die nicht älter als ihre Töchter sind.

Kundig im Seelenleben junger Mädchen schildert die feingliedrige 77-jährige US-Schriftstellerin das letzte Highschool-Jahr dreier Mädchen. Samt den bei ihr oft angesprochenen Themen Scheinmoral, Gewalt, Sucht und Mobbing.

Besessen

"Zwei oder drei Dinge, die ich dir nicht erzählt habe" ist der siebente Jugendroman der Literaturbesessenen. Mehr als 100 Bücher hat Oates veröffentlicht. Romane und Short Storys, Theaterstücke und Essays, Gedichte und Kinderbücher und ein Sachbuch über Boxen. Außerdem auch noch Thriller unter dem Pseudonym Rosamond Smith. Daneben lehrt sie seit 1978 "Kreatives Schreiben" an der Eliteuniversität Princeton. Als notorische Vielschreiberin sind ihr auch Medien wie Twitter eine Notwendigkeit. Dutzende Male pro Tag twittert Oates, die seit Jahrzehnten als Literaturnobelpreisanwärterin gilt, was andere auch twittern: Links zu Zeitungsartikeln, Nietzsche-Zitate, Katzenfotos.

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Bei dem Tempo passieren auch Hoppalas. Vergangenes Jahr brachten sie angeblich islamophobe Tweets in die Bredouille. Das soll nicht wieder passieren. Dieser Tage tweetet sie Fotos von toten Kindern in Gaza.

So undifferenziert ihre Tweets wirken mögen– von ihrem neuen Jugendbuch lässt sich das nicht behaupten. Sie hat sich dafür mehr Zeit gelassen als für die schnelle Meinungsbekundung. Es ist voller Einfühlungsvermögen in die emotionalen Achterbahnen, die ein junges Leben zu bieten hat.

KURIER-Wertung:

INFO: Joyce Carol Oates: „Zwei oder drei Dinge, die ich dir nicht erzählt habe.“ Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Hanser. 267 S.. 16,40 €. Ab 14.

Über die Talente des fabelhaften Mr. Green ist an dieser Stelle viel gesagt worden. Seit Monaten beherrscht der 36-jährige Amerikaner mit dem wunderbaren, furchtbar traurigen Jugendroman "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" die Bestsellerlisten. Das mehrfach ausgezeichnete Tennie-Krebs-Drama wurde tränenreich verfilmt und verschafft sogar ansonsten toughen 19-Jährigen einen Frosch im Hals. Wohl deshalb, weil Green weiß, wie es in Teenagerherzen aussieht.

Nun hat der Hanser-Verlag das Debüt des ehemaligen Seelsorgers neu aufgelegt: Der Roman "Eine wie Alaska", handelt vom jungen Miles, dessen Angebetete Alaska bei einem Autounfall ums Leben kommt. Im Raum steht Selbstmord – sie ist betrunken Auto gefahren. Als Miles davon erfährt, denkt er als erstes: "Ich bin schuld". Und dann: "Ich muss kotzen". Später wird er zu sich selbst sagen, er werde Alaska immer lieben – "meine räudige Nachbarin, mit meinem ganzen räudigen Herzen."

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Was lässt sich über diesen Roman fast zehn Jahre nach seinem ersten Erscheinen sagen? Dass sein damals 27-jähriger Verfasser bereits wusste, wie man scheinbar hartgesottenen jungen Männern Tränen in die Augen treibt. So baut er etwa zum Thema "Leben nach dem Tod" Edisons letzte Worte ein: "Es ist wunderschön hier drüben".

Was Jugendlichen an Green gefällt, ist vielleicht das: Er trifft den richtigen Ton. Was Erwachsenen gefällt, ist möglicherweise das: Green zitiert Dylan Thomas und François Rabelais.

Nein, falsch. Die Zitate sind egal. John Green zielt und trifft genau ins Herz. Das Alter ist dabei Nebensache.

KURIER-Wertung:

INFO: John Green: Eine wie Alaska“. Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Hanser. 288 Seiten. 17.40 Euro. Ab 14.

Mickan hat eine gesunde Selbsteinschätzung: "Ich bin weder total hübsch noch die Hässlichste im Universum." Mickan, fast acht, ist die Protagonistin des Kinderbuchs "Mickan ist ganz zufrieden mit sich" der jungen Schwedin Emma Adbåge.

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Der Titel ist Programm. Mickan mag sich selbst, ihre Eltern und eine beste Freundin hat sich auch. Und das eine oder andere Problem lässt sich lösen. Man muss ja kein Superheld sein. Kein Wunder, dass bei den europäischen Zufriedenheitsstudien die Schweden immer ganz vorne liegen.

KURIER-Wertung:

INFO: Emma Adbåge: „Mickan ist ganz zufrieden mit sich“. Aus dem Schwedischen von Helene Hillebrand. Rowohlt Rotfuchs. 127 S.13,40 €. Ab sechs.

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