David Schalkos "Toulouse": Geschlechterkampf in Echtzeit

David Schalkos "Toulouse": Geschlechterkampf in  Echtzeit
Das Beziehungsstück pendelt zwischen Drama und Komik (ARD, 20.15). Ein Gespräch mit dem Autor sowie Regisseur Sturminger

Ein Gespräch mit dem Autor sowie Regisseur Michael Sturminger. Am Ende sitzt Gustav (Matthias Brandt) im mondänen Hotelzimmer am Boden, ans Bett gelehnt, und zupft die Polster-Daunen aus den Haaren seiner Ex-Frau Silvia (Catrin Striebeck), deren Kopf auf seinen Schenkeln ruht. Da endlich ist Frieden …

David SchalkosToulouse“ (heute 20.15, ARD) ist eine irrwitzige Liebesgeschichte, ein mit messerscharfen Dialogen gespicktes Zwei-Personen-Stück, das „Jedermann“-Regisseur Michael Sturminger für den Hessischen Rundfunk inszeniert hat und das den Protagonisten ein Spielfeld bietet, das sie mit kreativer Kraft und viel Intensität bearbeiten.

Gustav und Silvia haben sich jüngst nach 19 Ehejahren getrennt. Sie treffen einander in einem Hotel an der französischen Küste. Gustav, in der Midlife-Crisis und mit einer Jüngeren liiert, behauptet, bei einer Konferenz in Toulouse zu sein – als dort ein Anschlag passiert und der Terror weit entfernt ein Lügengebäude in die Luft jagt.

Josefstadt

Toulouse“ ist eine Auftragsarbeit für das Theater in der Josefstadt, wo es im April 2019 Uraufführung feiert. Weshalb Schalko auch das Genre gewählt hat. „Das Beziehungsdrama steht stark für die Josefstadt. ,Toulouse‘ spielt mit Klischees, der bürgerlichen Fassade und einer Location, die mit dem Boulevard kokettiert.“ Der Terror fungiert nur als Katalysator, kratzt am politisch Korrekten und legt frei, was unter der Fassade ist. „Der Terror ist, so sagt Silvia, wie das Wetter – ist es ganz schlecht, sind es viele Tote, ist es wolkig, sind es wenige. Tatsächlich aber bleibt man unberührt“, so Sturminger. Betroffen macht nur, was unmittelbar betrifft. Das strahlt aus auf das Verhältnis der Ex-Eheleute. „Da ist ebenso große Liebe wie großer Hass. Es gibt hier nicht nur eins, wie oft bei geschriebenen Beziehungen, was furchtbar nervt.“

Bei Schalko spricht diese Ambivalenz aus den Sätzen: „Du bist eigentlich ganz unterhaltsam – seit ich dich nicht mehr ernst nehme“, meint einmal Silvia zu Gustav, der ihr auch nichts schuldig bleibt: „Du musst nicht souverän sein, Silvia. Das macht dich nur bitter.“ Man ist sich nah, man ist sich fern.

Inszenierung

David Schalkos "Toulouse": Geschlechterkampf in  Echtzeit

Toulouse“ beginnt langsam, fast theaterhaft, und steigert sich bis zur Eskalation. Es weiß zu begeistern und irritieren. Was auch an der Inszenierung und ungewöhnlich langen Einstellungen liegt: Gedreht wurde in einem 360-Grad-Studio in Offenbach so, wie das Werk ist. „Sechs Stunden am Stück mit einer Stunde Pause im 34 Grad heißen Studio – da waren alle an ihren Grenzen, die Schauspieler – beide ein Glücksfall – haben geschwitzt und miteinander gekämpft, Wolfgang Thaler, der alles mit der Handkamera gemacht hat, konnte sie schon nicht mehr halten. Ständig waren alle in Bewegung, es ging immer nur um den besten Moment“, erzählt Sturminger. Und am Ende um ein Ergebnis, dem Stück-Autor Schalko „Mut“ attestiert. „Er hat wirklich eine Möglichkeit gefunden, das Stück zum Film zu machen.“

Schalko selbst ist gerade bei der Fertigstellung der Kurz-Serie „M“ nach Fritz Lang, die beim ORF und RTLcrime laufen wird. Auch bei seinen nächsten Projekten „zieht es mich eher nach Deutschland“, sagt Schalko. „Dort ist augenblicklich eine ganz andere Stimmung. Die Bereitschaft, Serien zu machen, die das Genre neu ausloten, ist im Augenblick viel größer als hier, wo der klassische Lähmungszustand nach einer Wahl herrscht.“

Sturminger und sein „Jedermann“ haben das Salzburger Theater mit positiven Kritiken überstanden. „Letztes Jahr hatten manche Rezensenten noch Schwierigkeiten mit unserem ganz zeitgenössischen Ansatz. Vielleicht musste man sich erst an einen neuen, säkularen Jedermann gewöhnen.“

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