David Schalkos "Kafka": Virtuoses Spiel mit Darstellungsformen

Dr. Franz Kafka (Joel Basman, 2. v. re.) und Lebensfreund Max Brod (David Kross, re.) in Konfrontation mit der Bürokratie
Sechs Teile, aber keine lineare Handlung: David Schalko und Daniel Kehlmann erkennen in ihrer Miniserie über Franz Kafka als Erzähler (mit der Stimme von Michael Maertens aus dem Off) immer wieder: „Eigentlich muss man anders anfangen.“ Und so fangen sie das eine Mal mit Max Brod an, das andere Mal mit Felice Bauer.
Das klingt reizvoll. Aber nicht jeder Zugang zum Kosmos Kafka trägt eine Folge von rund 45 Minuten. Und so erweist sich das Konzept mit der Zeit als wenig praktikabel. Der fünfte Teil („Milena“) wäre mit deutlich weniger Zeit ausgekommen, der erste Teil hingegen hätte ungleich mehr benötigt. Denn gerade der Beginn ist äußerst dicht. Derart dicht, dass viele Zuschauende wegen Überforderung ausgestiegen sind (die Zahl halbierte sich am Sonntagabend vom ersten bis zum dritten Teil).
Wiewohl Schalko gerade in der ersten Folge collageartig-virtuos mit Darstellungsformen, Rückblenden und Vorgriffen spielt: Er porträtiert zunächst skizzenhaft Dr. Kafka mit all seinen Marotten (darunter das mausartige, nicht gerade Sympathie-heischende Kauen). Dann aber stehen die Flucht des Freundes Brod mit den Manuskripten (als einziges Gepäck) 1939 und ein beinhartes Fernsehinterview den 60er-Jahren (daher in Schwarz-weiß) über dessen Eingriffe in die Texte im Zentrum.
Schalko gelingt es zudem, eine Kafka-adäquate Künstlichkeit herzustellen: großartig zum Beispiel das Büro von Brod (mit Mitarbeitern im Hintergrund bis in die Unendlichkeit) oder das gleißende Gegenlicht beim Disput der Advokaten in der Asbest-Fabrik. Auch die Wohnung der Familie Kafka als leicht abstrahiertes Bühnenbild ist grandios. Mitunter fällt jemand aus der Rolle und spricht in die Kamera. Wissende dürfen sich zudem über subtile Verweise oder Anspielungen freuen.
Die Apparatur in der Strafkolonie ist aber leider viel zu konkret. Und es nervt, dass Stränge irgendwo im Nichts verschwinden. Daher bleibt die verspielte Serie ein Fragment – wie so vieles von Kafka.
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