Der Untertitel zur Ausstellung „Auf Linie“ klingt spröde: Das Wien Museum beschäftigt sich im Ausweichquartier MUSA mit der NS-Kunstpolitik beziehungsweise der Reichskammer der bildenden Künste. Die MA7, also die Kulturabteilung, ist schließlich eine Gründung der Nationalsozialisten: Ab dem Herbst 1938, ein halbes Jahr nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich, war das neue Kulturamt unter der Leitung von Hanns Blaschke für die Museen, Archive, Theater, Büchereien usw. zuständig.
Blaschke hatte sich 1934 als NSDAP-Mitglied am Juliputsch beteiligt, er „arisierte“ 1938 eine Villa in Hietzing, 1943 wurde er Bürgermeister und 1944 SS-Brigadeführer. Wiewohl 1948 wegen Hochverrats zu sechs Jahren Haft verurteilt, kam er bereits 1949 wieder frei. Ein typisch österreichisches NS-Täterschicksal also.
Die ideologische Arbeit des Kulturamts (Wettbewerbe!) verknüpft das Wien Museum mit den Aktivitäten der Reichskammer der bildenden Künste. Die Mitgliedschaft war Voraussetzung für jede künstlerische Berufsausbildung in der „Ostmark“ – und über jeden Künstler wurde eine Akte angelegt.
„Unglaublicher Fund“
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übergab man diese der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs zur treuhänderischen Verwahrung. Der im Mai 2020 gestorbene Bildhauer Karl Novak digitalisierte den Bestand und erschloss ihn für die Forschung, wie Ingrid Holzschuh und Sabine Plakolm-Forsthuber im Katalog schreiben. Matti Bunzl, der Direktor des Wien Museums, spricht nun von einem „unglaublichen Fund“, den die Kuratorinnen gemacht hätten. Doch was offenbaren die Akten Erstaunliches? Man war ja als „arischer“ Künstler, wenn man nicht emi-grierte, quasi gezwungen, Mitglied zu sein, auch wenn man Hitler nicht adorierte.
Das Wien Museum peppt den Papierkram daher ordentlich auf. Mit Nazi-Kunst. Oder Kunst, die den Nazis gefiel (etwa aus der „Systemzeit“). Im MUSA sieht man viele Hakenkreuze wie künstlerisch Unerhebliches. Bunzl verknüpft mit der Präsentation die Frage, wieso die öffentliche Hand die Bewahrung der Objekte auch heute noch finanzieren soll. Denn die Erhaltung „kostet Geld“, er spricht sogar von „einem Vermögen“, vermag es aber nicht zu beziffern.
Anzumerken ist, dass es gerade einmal 1.000 Objekte aus der NS-Zeit im Wien Museum gibt – sie machen weniger als ein Promille des Gesamtbestandes aus. So what?
Noch mehr erstaunt, dass man sich sogar Leihgaben beschafft hat, damit die Ausstellung (bis 24. April 2021) richtig fährt. Man tut also g’schamig, setzt aber bewusst die Aura des Originals ein. Die Ausstellung ist daher spekulativ, ja dreist.
Natürlich nicht ganz ungebrochen. Die Ausstellungsinszenierung von koerdtutech (mit Depot-Touch) vermittelt, dass man sich nicht die Hände schmutzig machen will. Die NS-Kunstwerke bleiben daher in den Transportkisten aus Holz. Doch in die Deckel wurden Glasscheiben eingepasst. Und auf den Kisten steht „FRAGILE“: Die NS-Kunst solle sorgsam behandelt werden („handle with care“).
Der Ausstellungskatalog zur NS-Kunst(politik) wurde übrigens in einer Tragtasche des Wien Museums überreicht. Auf ihr steht: „Die Vergangenheit war noch nie so schön wie heute.“ Ob das zynisch gemeint war?
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