Kernschmelze einer Beziehung

Jessica Chastain und James McAvoy im Liebesglück, bevor eine Tragödie ihre Beziehung ruiniert.
Der große Schmerz einer Tragödie trennt ein verliebtes Paar. Weiters: "Die Pinguine aus Madagascar", "Bocksprünge", "Killl the Boss 2"

Beatles-Song kommt keiner vor. Obwohl Eleanor Rigby, die Hauptfigur, tatsächlich nach dem großen Hit der Briten benannt ist. Und einsam ist sie auch – wie so viele in Ned Bensons Hyper-Melodram, das die Abgründe menschlichen Seelenleids ergründen will.

"Das Verschwinden der Eleanor Rigby" handelt vom Beziehungsruin eines jungen Paares in New York. Bei der Premiere auf dem Filmfestival von Toronto präsentierte Erstlingsregisseur Benson seine Geschichte in zwei Filmen, die die gleiche Sache aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählten: Einmal aus der Sicht der Frau unter dem Title "her"; und einmal aus der Sicht von ihm ("his"). Beide Filmteile liefen als "Work in Progress" und entfachten einen veritablen Hype.

Im Kino zeigt Benson nun eine dritte Version, eine Mischform von "her" und "him" und nennt sie demokratisch "them" (sie).

Bei "them" fängt alles im Glücksrausch der Gefühle an. Eleanor Rigby – eine intensive Jessica Chastain als junge, strahlende Frau aus gutem Haus – und James McAvoy ("X-Men") als ihr supernetter Ehemann spielen ein glücklich verheiratetes Paar. Gemeinsam tun sie, was verliebte Pärchen gerne tun im Independent-Film: Verschwörerisch kichern, gemeinsam in einem Lokal die Zeche prellen, Hand in Hand weglaufen, in einem öffentlichen Park Sex haben.

Doch gleich in der nächsten Szene unternimmt Eleanor einen Selbstmordversuch. Sieben Jahre sind seit jenem berauschten Anfang vergangen, und ein schwerer Schicksalsschlag hat das Paar komplett aus der Bahn geworfen und einander entfremdet.

Brennender Blick

Diese Kernschmelze der persönlichen Krise nützt Regisseur Benson für maximale melodramatische Effekte. Und setzt auf hochgefahrenes Schauspieler-Kino der größtmöglichen Gefühle. Besonders Chastain nagelt mit ihrem brennenden Blick, der ihr schon bei der Suche nach Osama Bin Laden in Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" im Gesicht glühte, den Zuschauer in den Sitz. An ihr liegt es sicher nicht, dass sich "Eleanor Rigby" trotz – oder gerade wegen – der großen emotionalen Gipfelstürme immer wieder seltsam "gespielt" anfühlt. Daran hat wohl eher Benson Schuld: Übereifrig setzt er alles zu sehr in Szene, poliert jeden gesprochenen Satz auf Stammbuch-Niveau (Glühwürmchen, Sternschnuppen) und über-arrangiert letztlich auch die Schauspieler. Ein typischer Fall dafür ist Isabelle Huppert als Eleanors depressive Mutter: Kein Auftritt, bei dem Huppert nicht ostentativ das Rotweinglas schwenkt oder unmotiviert bedeutsame Sätze spricht ("Ich wollte nie Mutter werden"). Auch Viola Davis als Eleanors kumpelhafte Universitätsprofessorin gibt mehr philosophische Allerweltsweisheiten von sich als eine Vorlesung lang ist.

Was "Eleanor Rigby" trotzdem sehenswert macht, ist Jessica Chastains großer Magnetismus im Zusammenspiel mit ihren Leidenspartnern. Noch jedem Klischee reißt sie einen Funken Wahrheit heraus, gerade auch in den leisen Momenten. Und New York als Schauplatz spielt ebenfalls eine Hauptrolle – und zwar bestens.

INFO: USA 2014. 123 Min. Von Ned Benson. Mit Jessica Chastain, James McAvoy.

KURIER-Wertung:

Kernschmelze einer Beziehung
"Das Verschwinden der Eleanor Rigby"
Kernschmelze einer Beziehung
Jessica Chastain und James McAvoy

Im Kino: "Das Verschwinden der Eleanor Rigby"

Auch mit Moustache und Hornbrille ist Christoph Waltz unverkennbar Christoph Waltz. Als gelackter Investor mit Spezialakzent zieht er drei geistig unterbelichtete Jungunternehmer über den Tisch ("Der amerikanische Traum ist made in China") – und startet damit die Fortsetzung der Brachialkomödie "Kill the Boss".

Wieder ist es das bewährte Tolpatsch-Trio unter der Führung von Jason Bateman, das sich am laufenden Band blamiert. Und wieder hat Jennifer Aniston memorable Auftritte als sexsüchtige Brünette (die Penis-Abgüsse sammelt). Diesmal planen die Einfaltspinsel die Entführung eines Millionärssohns (völlig gaga: Chris Pine), um mit dem Lösegeld ihre Firma zu retten. Naturgemäß geht alles schief: Anstelle des Opfers betäuben sie sich selbst mit Lachgas, schlafen unter herzlichem Gelächter im Kasten ein und werden schließlich von ihrem Entführungsopfer in Geiselhaft genommen. Auch Jamie Foxx und Kevin Spacey können mit beschwingten Kurzauftritte das Ballermann-Niveau kaum heben. Doch vielleicht muss man gerade deswegen manchmal ziemlich losprusten.

INFO: USA 2014. 108 Min. Von Sean Anders. Mit Jason Bateman, Jason Sudeikis, Charlie Day.

KURIER-Wertung:

Kernschmelze einer Beziehung
Drei Einfaltspinsel:  Charlie Day (li.), Jason Bateman, Jason Sudeikis.

Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit ist beliebtes Thema deutscher Komödien. Damit ließe sich auch dieser Film mit einem Satz abhaken. Sie wollen mehr wissen?

Bittesehr: Udo schläft mit Maya. Maya ist eigentlich mit Silvan verheiratet und hätte gerne ein Kind. Silvan wiederum betrügt Maya mit Valerie, die dann einen Gynäkologen kennenlernt. Als Doris hinter die Bocksprünge ihres Gatten Udo kommt, beginnt das große Reinemachen in diesem seltsam unsympathisch wirkenden Freundeskreis.

Regisseur Eckhard Preuß schrieb für sich selbst die Rolle des wildernden Udo. Auch Yvonne Catterfeld, in einer Gastrolle, landet im Bett des dicklichen Mittvierzigers. Was diesen Nicht-Charismatiker so begehrenswert machen soll, ist die einzige Frage, die sich hier stellt. Ansonsten hat man alles schon irgendwie gesehen, mitunter aber wesentlich lustiger.

INFO:"Bocksprünge". Komödie. D 2014. 86 Min. Von Eckhard Preuß. Mit Julia Koschitz, Friedrich Mücke, Jule Ronstedt, Yvonne Catterfeld.

KURIER-Wertung:

Kernschmelze einer Beziehung
Eckhard Preuß mit Jule Ronstedt

Manchmal sind Nebenrollen einfach genau das: Nebenrollen. Und als solche gehen sie verdient in die Geschichte ein. Wie etwa die vier einsatzfreudigen Pinguine aus der "Madagascar"-Trilogie, wo sie mit ihren Sondermissionen knackige Kurzauftritte lieferten. Nun wurden die vier Frackträger ausgekoppelt und als Helden einer Langfilmanimation installiert. Und da übernimmt sich die Viererbande leider in übersteuerten James-Bond-Abenteuern und lässt die visuellen Gags im Action-Gewitter zerbröseln. Anführer Skipper, Taktiker Kowalski, Rico, der Mann fürs Grobe und das gefühlige Nesthäkchen Private verlassen die Einschicht der Antarktis, um das Abenteuer zu suchen. Tatsächlich zählen die ersten, vergleichsweise langsamen Minuten von "Pinguine" zu den witzigsten Momenten, ehe die große Spektakel-Sause herein bricht. Ein farbenfroher Octopus ("das verflixte Fischstäbchen") schlägt zu, ein zweites Ermittlerteam mischt mit, und Conchita Wurst verleiht ihre Stimme einer russischen Schneeeule. Alles zu viel des Guten.

INFO: "Die Pinguine aus Madagascar". USA 2014. 93 Min. Von Simon J. Smith und Eric Darnell.

KURIER-Wertung:

Kernschmelze einer Beziehung
Große Action-Sause in Venedig, wo die Pinguine vom rachsüchtigen Octopus verfolgt werden.
Kernschmelze einer Beziehung
"Die Pinguine aus Madagascar"
Kernschmelze einer Beziehung
"Die Pinguine aus Madagascar"

Doku. Bei seiner Reise im selbstgebastelten Flugzeug durch den Sudan fördert der österreichische Dokumentarist Hubert Sauper fast irreale Bilder zutage: US-Missionare wollen kleinen Babys weiße Socke anziehen. Chinesen bohren nach Öl und schauen in ihrer Freizeit Star Trek. Investoren träumen von der Errichtung eines Safari-Parks. Alle wollen den Sudanesen helfen: "We Come As Friends" – ist eine gefährliche Drohung. Absolut sehenswerte, mehrfach ausgezeichnete Doku.

KURIER-Wertung:

Lesen Sie hier unser Interview mit Hubert Sauper.

Kernschmelze einer Beziehung
Hubert Sauper: We come as friends

Am Sonntag bist du tot

Drama In einer Woche werde er ihn töten. Dieses gruselige Versprechen erhält ein irischer Priester von einem Beichtenden. Warum der Priester sterben soll? Stellvertretend für die Sünde eines anderen Priesters. Dieser hatte den Mann als kleinen Jungen missbraucht. Der große Brendan Gleeson als erdiger, irischer Katholik trägt fulminant durch ein ansonsten prätentiös überspitztes Arthouse-Drama mit Großaufnahmen-Pathos. Das Lokalkolorit der irischen Küste wird Rosamunde-Pilcher-würdig in Szene gesetzt. Gleichzeitig inszeniert John MacDonagh die Dorfbewohner effekthascherisch als religionskritische Zyniker. Einzig Rettung: Brendan Gleeson als Vater James.

KURIER-Wertung:

Lola auf der Erbse

Kinderfilm Abenteuer einer Elfjährigen, die mit ihrer Mutter auf einem Hausboot lebt.

Vals

Drama Österreichisches Drama um eine Frau in einem Tiroler Tal, Ende des Zweiten Weltkrieges.

Top Kino

Kurzfilme Kurzfilmprogramme "Gesichter der Flucht" (28. 11.) und "Fünf-Gänge-Menü" (29. 11.) im Top Kino.

Kernschmelze einer Beziehung
Brendan Gleeson (re.) als Vater James

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