Wenn das "Heimliche" - im Sinne von "heimelig" oder "vertraut" - erschüttert wird, erscheint es "unheimlich": In einem berühmten Essay von 1919 befasste sich Sigmund Freud mit der speziellen Empfindung der Desorientierung und des "Sich-nicht-Auskennens", die er im Erleben seiner Patienten, aber auch in der Welt der Fiktion ausmachte. Wobei sich Freud dabei auf die Literatur - speziell E.T.A. Hoffmanns Novelle "Der Sandmann" - und nicht auf bildende Kunst bezog.
"Das Unheimliche ist die Signatur des Verdrängten", sagt Monika Pessler, Direktorin des Freud Museums in der Wiener Berggasse. Dass die Erschütterung des Vertrauten für Künstlerinnen und Künstler seit langem ein Thema ist, hat das Haus zum Anlass einer Gruppenschau genommen (bis 24. 11.). Die Präsentation im Sonderausstellungsraum - er diente einst als Speisezimmer der Familie des Psychoanalytikers - ist wiederum Resultat einer Kooperation mit der Kunsthalle Tübingen, wo mehrere Aspekte von Freuds Schaffen auf ihre Auswirkungen auf die Kunst abgeklopft wurden.
Eine von Gregory Crewdson inszenierte Esstisch-Szene bebildert das Eindringen des Unheimlichen ganz direkt - und bildet die Klammer zur Werkschau des Künstlers in der Albertina. Eine Reihe von Figuren, die der Künstler Markus Schinwald zu bestimmten Zeiten per Seilzug in Bewegung versetzen lässt, spielen auf ein Merkmal des Unheimlichen an, das Freud auch konstatierte: Die Frage, ob ein bestimmter Körper belebt oder unbelebt sei, vermag die Verunsicherung zu erzeugen, die im Gruseln mündet.
Entlang der Achse Belebt-Unbelebt bewegen sich auch Beiträge von Cindy Sherman oder von Birgit Jürgenssen, die einen Schuh - Fetischobjekt par excellence - aus Tierknochen und mit einer Art Nabelschnur eine ambivalente Erscheinung gab (und damit die Ästhetik des Regisseurs David Cronenberg gewissermaßen vorwegnahm). Louise Bourgeois, selbst langjährige Psychoanalyse-Patientin, begnügte sich wiederum damit, den Satz "The return of the repressed" schlicht als Satz auf ein Stofftuch zu schreiben.
Diese "Wiederkehr des Verdrängten" bildet auch die Brücke zu jener Videoarbeit, die vielleicht der am wenigsten unheimliche, aber berührendste Beitrag der ganzen Ausstellung ist: Die Künstlerin Esther Shalev-Gertz fragte dazu Holocaust-Überlebende, wie ihr Leben vor, während und nach der Shoah gewesen sei. Gezeigt wird nur die Mimik, die den Befragten bei der Antwort über das Gesicht huscht. Sie macht unheimlich traurig.
Kommentare