Das neue Fernsehbiedermeier

Das neue Fernsehbiedermeier
Andrea Bogad- Radatz, Film- und Serieneinkäuferin im ORF, über Serientrends und die Konkurrenz Internet.

Warum Kritikern nicht das selbe wie dem Publikum gefällt und Tom Selleck zurück im Wohnzimmer ist: Andrea Bogad-Radatz erklärt Flops, Trends und persönliche Fernsehvorlieben.

KURIER: Frau Bogad-Radatz, Warum soll man noch fernsehen, wenn es alles im Internet gibt?
Andrea Bogad-Radaz:
Im Internet gibt es eine sprachliche Barriere, weil die Serien nur in der Originalsprache verfügbar sind. Deswegen halte ich Internet-TV immer noch für elitär. Außerdem schließt das eine das andere nicht aus. Internet-User sehen nicht weniger fern.

Die andere TV-Konkurrenz sind DVDs. Beispiel "Mad Men": Man will sofort wissen, wie es mit Don Draper weitergeht und nicht eine Woche warten.
Das ist seit Jahren ein Problem, seit "24" oder "Lost": Serien mit starkem Fortsetzungscharakter eignen sich immer weniger für wöchentliche Ausstrahlung, weil man mit diesen starken Cliffhangern kaum noch Leute dazu bringt, Woche für Woche zu warten, wie es weitergeht. Ein Mittelweg ist "Grey’s Anatomy", wo es einen dramaturgischen roten Faden gibt und trotzdem jede Folge in sich abgeschlossene Handlungsstränge hat. Man kann es sich erlauben, zwei Folgen zu verpassen und trotzdem wieder einsteigen.

Und der Suchtfaktor ist nicht so groß, dass man sich das gleich auf DVD anschaut?
Wir arbeiten daran, die deutsche Ausstrahlung noch vor dem Erscheinen der DVD zu ermöglichen, was fast immer gelingt.

Das neue Fernsehbiedermeier

Amerikanische Serien haben ja immer kürzere Vorlaufzeiten zur Produktion.
Ja, wir haben jetzt bei den Screenings in L. A. die Pilotfolgen von Serien gesehen, die im Herbst in den USA starten. Die ersten Folgen werden bereits ausgestrahlt, während spätere Folgen noch im Dreh sind. Man kann dadurch auch dramaturgisch reagieren.

Was l äuft in den USA gut und was bei uns? "Mad Men" lieben alle, aber warum hat "30 Rock" hier nicht funkti oniert?
"Mad Men" lieben die Kritiker. Ein elitäres Nischenprogramm. Das läuft auf keinem großen Sender. Eine typische DVD-Serie. Wir haben es überlegt, aber keinen Sendeplatz dafür gefunden. Und "30 Rock" ist zu speziell. Das interessiert ein Medien-affines Publikum, weil es um den Backstage-Bereich eines TV-Studios geht.

Die Rückkehr des Alec Baldwin mit "30 Rock" war aber schon ein Renner in den USA. Liegt der mäßige Erfolg hier nicht eher an den schlechten Übersetzungen?
Mittlerweile gibt es sehr gute Synchronisationen. Ich denke an "Sex and the City." Wir wollten die Serie längst haben, doch es gab keine Synchronisation, jeder scheute sich davor. Als die Synchro dann vorlag, war sie sehr gelungen.

Viele Leute sehen Serien am liebsten im Original. Woran liegt es, dass manches im Zweikanal gesendet wird und manches nicht?
Nicht jedes Studio gibt dafür Rechte her.

Im Herbst startet der ORF Serien mit Tom Selleck ("Blue Bloods") und Betty White ("Hot in Cleveland"). Ziemlich retro ...
Ja (lacht) . Ein Trend! Betty White ist mit über 80 Kult. Und auch immer mehr Topschauspieler vom Film spielen in Serien. Dennis Quaid in "Vegas", Lucy Liu in "Elementary" (Sherlock Holmes, Anm.) und Ellen Barkin in "The New Normal".

Zeichnen sich auch inhaltliche Trends ab?
Ja, Familie und Comedy.

Das neue Fernsehbiedermeier

Fernsehbiedermeier – die direkte Folge der Weltwirtschaftskrise.
Ja. Man mag’s gemütlich.

Ihre Lieblingsserie?
Ich würde mich eher zum Mainstream-Publikum zählen. Ich mag zum Beispiel "Grey’s Anatomy" oder "How I Met Your Mother".

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