„Das Lebewohl“ von Elfriede Jelinek: Kassandra hat recht behalten

Die große Verbrüderung in Potsdam oder sonst wo: Manami Okazaki, Jakub Kavin und Eckart Schönbeck
Das ehemalige Theater Brett, 1984 eröffnet, feiert das fünfjährige Bestehen als TheaterArche mit einer Besonderheit: mit der Erstaufführung von zwei Texten Elfriede Jelineks, die angesichts der innenpolitischen Situation und des Treffens radikaler Rechter in Potsdam mit einem Hetzer aus Österreich mindestens genauso decouvrierend sind wie einst.
Der eine Text, „Das Lebewohl (Les Adieux)“, entstand kurz nach Beginn der Koalition der ÖVP mit der FPÖ im Jahr 2000: Jörg Haider zog sich nach Kärnten zurück, weil er zu wissen glaubte, dass seine Zeit als Kanzler noch kommen werde. In diesem Monolog wendet sich ein Mann an „einige schöne Knaben“. Und ginge es nicht andauernd darum, sich entschuldigen zu müssen (Stichwort: Beschäftigungspolitik), könnte der Sprecher auch Herbert Kickl sein: Das Wettern gegen die Journalisten ist das Gleiche geblieben.
In seiner glasklaren Inszenierung bettet Karl Baratta, der schon früh Jelinek-Uraufführungen initiierte und unter Emmy Werner leitender Dramaturg am Volkstheater war, den sprachspielerisch wunderbaren Text in den Epilog (aus 2005) zu „Wolken.Heim“ ein.
Pressekonferenz und Wahlkampfveranstaltung
Die Zuschauer sind quasi Teilnehmer einer Pressekonferenz und Wahlkampfveranstaltung, das Grellgrün der quadratischen Spielfläche von Ausstatterin Paula Knoller korrespondiert mit jenem der Sesselüberzüge: Ein Österreicher (Hausherr Jakub Kavin) und ein Deutscher (Eckart Schönbeck) bereiten, sich gegenseitig beipflichtend, alles für die Show (Musik: Florin Gorgos) vor.
Dass gerade Manami Okazaki den messianischen Haider-Kickl im cremeweißen Anzug verkörpert, ist ein besonderer Gag. Und wie real die Befürchtungen der Kassandra-Ruferin Jelinek waren, demonstriert Baratta mit einer eingeschobenen Rede, vorgetragen bei einer Veranstaltung des Rings Freiheitlicher Studenten 2023. Erschreckend.
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