Das Befinden der Patientin Kunst

Das Befinden der Patientin Kunst
Mit der Messe „Parallel Vienna“ und dem Galerienfestival „Curated by“ eröffneten rund 1,4 Hektar Kunst-Schauraum.

Über das Feld der Kunst fliegen die Assoziationen so dicht und zahlreich wie  Zugvögel im Herbst. Wenn nun also eine Kunstmesse in zwei Gebäuden der ehemaligen Semmelweis-Frauenklinik in Wien-Währing stattfindet, wird schon mal von einer „Wiedergeburt“ geredet – wobei  nicht wirklich klar ist, was je  tot war:  Die Kunst eher nicht, denn wie die  Präsentationen zeigen, wurde in den Ateliers intensiv gearbeitet. Und es ist ein durchaus starker Jahrgang geworden.

Das Befinden der Patientin Kunst

Die „Parallel Vienna“ (bis 12.9.) ist  wie immer eine überbordende Zusammenschau von so ziemlich allem, was Österreichs Kunstszene ausmacht: Etablierte Namen  hängen hier nahe an Newcomern, und nicht nur Galerien und Institutionen gestalten Räume: Studierende, Off-Initiativen, geladene Künstlerinnen und Künstler sowie – heuer erstmals –   Kuratorinnen und Kuratoren  können sich ebenfalls entfalten.

Die Semmelweis-Klinik erweist sich dafür als dankbarer Boden – nicht nur wegen der im Vergleich zu früheren Messe-Ausgaben   freundlichen   Lichtsituation, sondern auch wegen des Symbolgehalts der Räume.

Das Befinden der Patientin Kunst

Im Wartezimmer

Luisa Hübner und Veronika Suschnig haben ein Zimmer etwa als weiß-rosa Warteraum gestaltet und zeigen dort  Fotos und  – etwa mit  Rosendornen gearbeitete – Materialbilder, in denen ein Bewusstsein für Körpergefühle, Verletzlichkeit oder auch Hygienenormen anklingt. Die Plattform „Dessous“,  die etablierte Größen wie Elisabeth von Samsonow und Karin Frank  präsentiert, zeigt in einem einstigen OP-Saal eine teils deftige Installation zu Schwangerschaft und Sexualität; im Obergeschoß bieten Julia Bugram und Gloria Dimmel Besucherinnen  an,  einen Abguss ihrer Vulva anzufertigen – „selbstbestimmt“ und abseits   fremder Blicke, versteht sich.

Das Befinden der Patientin Kunst

 In dem Film „Beauty is Life“ von Jovana Reisinger führen Frauen wiederum real existierende, wie Foltergeräte anmutende  Schönheitsgeräte  vor und reden darüber. Das Publikum kann beim  Anschauen auf Untersuchungsstühlen Platz nehmen.

Die Assoziation, dass die Kunstwelt  auch selbst Patientin sein könnte, liegt  nicht fern: Denn bei aller Kreativität  tendiert die „Parallel“ oft ein wenig zur Selbstbespiegelung. Man fragt sich, wer all die Kunst – laut Leiter Stefan Bidner werden 10.000 m²  bespielt –  sehen, geschweige denn sammeln wird.

Lachen als Medizin

Das Festival „Curated by“ (bis 2. 10.) fügt dem Angebot  noch rund 4000 m² Fläche in 24 Galerien hinzu. Das heurige Thema der kuratierten Sonderausstellungen, „Comedy“, signalisiert  Lockerheit und ist, wie ein erster Rundgang zeigt, inhaltlich äußerst ergiebig.

Das Befinden der Patientin Kunst

An  vielen Punkten – exemplarisch sei eine hervorragende, von Künstler Jannis Varelas kuratierte Schau bei „Krinzinger Schottenfeld“  erwähnt – mischt sich aber auch Galgenhumor ein,  an mehreren Stellen begegnet das Bild, in dem jemand auf der Seife ausrutscht und sich mühsam wieder aufrappelt.  

Die Messe „viennacontemporary“, die vergangene Woche auf Sparflamme stattfand, war lange eine Kraft, die internationales Publikum in die Stadt brachte – ohne ein solches, da sind sich viele  befragte Protagonisten einig, wird Wiens Kunstherbst auf Dauer nicht funktionieren. Das Angebot, auf dem der Ruf als zeitgenössische Kunststadt gründet, ist aber nach wie vor da.

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