Damon Albarn: Musikalischer "Liebesbrief" an England

Damon Albarn: Musikalischer "Liebesbrief" an England
The Good, The Bad & The Queen, die Drittband des Gorillaz-Gründers, veröffentlichte das erste Album seit elf Jahren.

„Verdammt, ist das wirklich das, was wir fühlen?“ Das fragte sich Damon Albarn, der Blur- und Gorillaz-Gründer, als das Ergebnis des Brexit-Referendums bekannt gegeben wurde. Er reagierte, wie er es – als einer auch außerhalb der Stammbands umtriebigsten Musiker der britischen Szene – am besten kann. Mit Musik.

 

Albarn revitalisierte die Supergroup The Good, The Bad & The Queen und nahm das eben erschienene Album „ Merrie Land“ auf. Schon 2007 hatte er mit Paul Simonon (The Clash), Simon Tong (The Verve) und Fela-Kuti-Drummer Tony Allen ein Album über die westlichen Stadtviertel Londons aufgenommen, die vom Zusammenleben verschiedener Kulturen und Bevölkerungsschichten geprägt waren.

 

Damon Albarn: Musikalischer "Liebesbrief" an England

„Seit damals haben wir immer wieder sporadisch zusammen gearbeitet“, erzählte Albarn kürzlich der Musikplattform NME. „Aber es gab keinen zwingenden Grund, etwas fertig zu machen. Das Referendum aber hat uns so verwirrt und enttäuscht – wegen der Tatsache, dass wir es erlaubt haben, in dieses Chaos zu rutschen, weil wir eindeutig sehr lange zu wenig miteinander geredet hatten.“

 

Das, sagt Albarn, war der Beginn des Albums „Merrie Land“, eines „ Liebesbriefes“ an sein England. Ein Liebesbrief, der aber weniger romantisch, als wehmütig und desillusioniert ausfällt. Schon die ersten Töne des Titeltracks sind melancholisch und so typisch Albarn, dass man den Einsatz seiner Stimme vorher ahnt. Die sagt dann, dass all das nicht rhetorisch, sondern ein echtes Anliegen ist. Das hört man in „Merrie Land“ immer wieder. Aber nicht immer.

Aufgeregt

Highlights sind Tracks wie „The Great Fire“, „The Poison Tree“ und „The Last Man To Leave“. Da kann der 50-Jährige clevere musikalische Ideen, die zu komplexen Synthie-Strukturen verwoben sind, in atmosphärische Songs kondensieren.

Wenn ihm das nicht gelingt, hat man wie bei „Nineteen Seventeen“ das Gefühl, dass er seine verwirrten Gedanken über ein paar schwebende Keyboards und aufgeregte Drums von Allen drüber plappert und darüber auf Melodien vergessen hat.

 

Die Ideen für die Songs kommen von Reisen Albarns in die Provinz – aus Gesprächen mit Einwohnern von Dorset oder Blackpool, über die er verstehen wollte, wie es zum Brexit kommen konnte.

Natürlich kann man sich fragen, ob ein Londoner Pop-Millionär die Sorgen „normaler“ Engländer je verstehen wird können. Tatsächlich wirken die Texte auch mehr wie ein Zappen durch die News-Sendungen lokaler TV-Stationen, denn wie ein Eintauchen in die Seelen der Bürger. Aber in einer Pop-Landschaft, in der Harmlosigkeit blüht, ist es schon lobenswert, zumindest zu versuchen, konkreten Inhalten, die einem auf der Seele brennen, emotionale Klangbilder zu geben.

Kommentare