Crossing Europe: "Mit den Stars auf Augenhöhe"

Am Dienstagabend eröffnet das Linzer Filmfestival „Crossing Europe“, das sich dem europäischen Kino verschrieben hat, zum zehnten Mal. Seit 2004 hat sich die Zahl der Besucher mehr als verdoppelt. Ein Gespräch mit Festivaldirektorin Christine Dollhofer über Regisseurinnen und Stars auf Augenhöhe.
KURIER: Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Was meinen Sie mit „unkonventioneller Auswahl“?
Wir versuchen, nicht die üblichen Verdächtigen des europäischen AutorInnenkinos abzubilden, sondern Filme zu zeigen, die im regulären Kinobetrieb keinen Platz mehr haben. Von den insgesamt 162 Filmen, die wir zeigen, haben nur zwei Filme einen Verleiher. Mein kulturpolitischer Auftrag, so wie ich ihn verstehe, besteht darin, die Vielfalt des europäischen Filmschaffens inklusive Nischenproduktionen zu bündeln und so dem Publikum etwas zu bieten, was es im regulären Jahresbetrieb nicht sehen kann.
Wie es aussieht, brauchen Sie auch keinen großen „Starfaktor“, um Erfolg zu haben?

Bereits zwei der Eröffnungsfilme von „Crossing Europe“ stammen von Regisseurinnen. Offenbar haben Sie nicht das Problem, interessante Filmemacherinnen zu finden – anders als in Cannes, wo es nur eine einzige Frau in den Wettbewerb geschafft hat. Wie kommt das?

Aber es ist schon auch eine Willensfrage, wen man aufbaut und wen nicht, ob man nur alte Muster bedient oder eben nicht. Das Line-up von Cannes ist natürlich spannend, aber es liest sich wie ein Klassentreffen aus vergangenen Jahren. Ich achte schon sehr auf die Ausgewogenheit der Geschlechter, ohne gönnerhaft zu sein. Was ich zeige, sind alles gute Arbeiten.
Wie sieht denn die Budgetsituation aus?
Es ist Phänomen, das alle Kulturveranstalter betrifft. In Zeiten, wo die Kulturbudgets durch eine vermeintliche Wirtschaftskrise enger werden, sind auch die Privatmittel nicht mehr so einfach zu lukrieren wie früher. Wenn bei uns eine Geldsäule wegbricht, ist immer gleich das ganze Festival gefährdet. Dabei geht es um keine riesigen Summe, aber da wir alles sehr knapp und bescheiden kalkulieren, ist das dann oft sehr dramatisch. Aber glücklicherweise haben heuer alle Hauptfördergeber – also Stadt Linz, Land OÖ und das Bundesministerium – aufgestockt, um uns diese Misere zu ersparen. Jetzt haben wir mehr oder weniger das Budget vom Vorjahr, das heißt rund 500.000 Euro. Ich hoffe, dass das in Zukunft auch so sein wird und wir vielleicht auch aus der Wirtschaft wieder einen privaten Financier finden, der größer einsteigt.
Im Vergleich zur Viennale und Diagonale liegt Crossing
Europe budgetär eher unten?
Ich würde sagen, weit unten. Für das, was wir machen und wie wir aufgestellt sind, sehe ich uns als sehr sparsames Festival. Natürlich würde man sich immer mehr wünschen, aber ich hätte einfach gerne mehr Spielraum, sodass nicht jede finanzielle Schwankung sofort das ganze Projekt gefährdet.
Gibt es zwischen den Festivals Konkurrenz um Sponsoren? Der Crossing-Europe-Sponsor Silhouette beispielsweise ist jetzt auch Viennale-Sponsor.
Nein, ich würde das nicht so sehen. Es herrscht der freie Markt, und natürlich versucht jedes Festival, speziell in seiner Region, Partner und Firmen zu finden, die auch vor Ort angesiedelt sind. Bei österreichweiten Unternehmungen gibt es da halt auch Überschneidungen. Ich sehe das ganz kollegial.
Linz war 2009 Kulturhauptstadt, gerade wurde auch das Musiktheater eröffnet. Wirkt sich
Linz als Kulturstandort positiv auf das Festival aus?
Natürlich, je mehr „cultural environment“ es gibt, desto besser für alle Veranstalter, weil es die Stadt attraktiver macht. Ich sehe das insgesamt sehr positiv, auch was die Wahrnehmung von Linz in Österreich und darüber hinaus betrifft. Dass sich Linz von der Stadt mit der schlechtesten Luft Österreichs hin zur Kulturhauptstadt entwickelt hat, ist schon eine Erfolgsgeschichte. Wichtig ist aber auch, dass man nicht nur die kulturellen Großformate hat, sondern auch kleinere und mittlere bzw. schrägere Formate ermöglicht.
Einer der Eröffnungsfilme ist „Winterdieb“ von Ursula Meier, in dem ein armer Schweizer Bub reiche Schitouristen bestiehlt. Was sind die großen Themen des Programms?

Die Auswirkungen der Finanzkrise finden sich ganz konkret etwa in der Programmschiene „Randlagen“: in einem Film wie „Casas Paro Todos“ wo es um Häuserruinen in Spanien geht. Auch die griechischen Filme im Wettbewerb handeln vom Überleben in Griechenland und der Suche einer jungen Generation nach ihrer Position. Insgesamt geht es in den Filmen oft um das Weggehen von Menschen, die im eigenen Land keinen Job finden.
Sie zeigen auch einen Geruchsfilm im Programm. Was kann man sich darunter vorstellen?
Wolfgang Georgsdorf ist ein Künstler, der seit vielen Jahren an der Monstermaschine „Geruchskino“ arbeitet. Das ist ein riesiger Maschinenraum, wo verschiedene Gerüche entwickelt werden; dazu hat er auch einen Film produziert, um damit alle Sinne anzusprechen. Die Schauspielerin Eva Mattes, seine Arbeits- und Lebensgefährtin hat dem Film ihre Stimme gewidmet. Diesen „No(i)se“-Film kann man sich die ganze Woche ansehen und dabei gleichzeitig die Gerüche wahrnehmen.
Ihre drei persönlichen Empfehlungen?
Die Frage ist natürlich, wo man selbst seine persönlichen Leidenschaften hat. Wenn man ein passionierter Genre-Filmgeher ist, sollte man unbedingt „Hellfjord“ ansehen, eine siebenteilige Serie aus Norwegen, die sehr „Lynchig“ und „Twin-Peaks“-artig“ angehaucht ist. Wer sich für das große Autorenkino interessiert, dem würde ich „Reality“ und „In the Fog“ von Sergei Loznitsa empfehlen, zwei Filme, die in Cannes im Wettbewerb gelaufen sind und die ich großartig finde. Im Dokumentarbereich würde ich „Vaters Garten“ von Peter Liechti oder „Private Universe“ von Helena Třeštíková empfehlen. Und wer sich für junge Autorinnen und Autoren aus Europa interessiert, muss sich an den Wettbewerb halten. Aber es ist schwierig, eine Auswahl zu treffen. Ich persönlich hätte großen Stress, wenn ich das Festival besuchen müsste und noch nichts gesehen hätte. Aber zum Glück kenn’ ich schon alles.
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