"Couture"-Premiere in San Sebastián: Angelina Jolie und die Macht der Weiblichkeit

Angelina Jolie
"Couture" der französischen Regisseurin Alice Winocour ist ein Drama, das an dunkle Abschnitte in Jolies Leben erinnert.

Sturm, Starkregen, Temperatursturz. Nichts konnte Hunderte ihrer Fans davon abhalten, stundenlang am Roten Teppich vor dem Kursaal von San Sebastián zu warten. Angelina Jolie brachte am Sonntagabend den großen Glanz von Hollywood in die nordspanische Küstenstadt am Kantabrischen Meer.

Zusammen mit der französischen Regisseurin Alice Winocour stellte Jolie auf dem 73. Internationalen Filmfestival von San Sebastián ihren neusten Film "Couture" vor, der heuer mit "Ballad of a Small Player" des deutsch-österreichischen Oscar-Regisseurs Edward Berger im offiziellen Wettbewerb um die Goldene Muschel kämpft, mit deren Vergabe das Festival am kommenden Samstag endet.

Jolie spielt eine Horrorfilm-Regisseurin

Jolie spielt Maxine Walker, eine Horrorfilm-Regisseurin, die in Paris auf der Fashion Week einen Kurzfilm für eine französische Modemarke drehen soll, als sie von ihrem Arzt eine Hiobsbotschaft erhält. Mitten im Schock einer Brustkrebsdiagnose und der Scheidung von ihrem Mann muss Maxine Dreharbeiten, Arzttermine und die schwierige Beziehung zu ihrer Tochter meistern - und das in der ihr fremden Welt der Haute Couture.

Dabei kreuzen sich ihre Wege mit dem jungen südsudanesischen Model Ada (Anyier Anei), das seine erste große Chance erhält, und der Visagistin Angèle (Ella Rumpf), die eigentlich Schriftstellerin werden möchte und sich von Job zu Job hangeln muss. Obwohl sich Angèle verzweifelt durchs Leben kämpfen muss, spendet sie immer wieder anderen mit kleinen Gesten Trost und Hoffnung. Ada, die eigentlich Apothekerin werden möchte, aber ihre Familie mit der Modelkarriere unterstützen will, entdeckt eine Welt voller Glanz, aber auch großer Kälte.

Stilles Drama über Verletzlichkeit und weibliche Solidarität

Die drei Hauptfiguren ringen im Strudel der Pariser Modewoche mit den Fragen ihres Lebens. Es ist ein Film über Verletzlichkeit, Menschlichkeit, Hoffnung und weiblicher Solidarität. Regisseurin Alice Winocour, bekannt für intime Frauenporträts, hat mit "Couture" ein stilles Drama geschaffen. In ruhigen Bildern und einfühlsamen Darstellungen begleitet sie die drei weiblichen Hauptfiguren zwischen Neuanfang, Krankheit und zerplatzten Träumen.

Kleine Gesten von Freundlichkeit und Nähe erinnern daran, was uns im Kern als Gemeinschaft und als Menschen zusammenhält, während im Film die Modewelt hektisch vorbeirast und eigentlich keinen Platz für so etwas lässt. In "Proxima" und "Paris Memories" gelang das Alice Winocour überzeugend. Doch in "Couture" fehlt es den Figuren oftmals an Tiefe. Selbst die kurze Affäre Maxines mit ihrem Kameramann (Louis Garrel) und ihrer damit verbundenen Sehnsucht nach dem Begehren werden vor einer möglich Brustentfernung bleibt ein wenig belanglos. Zwar macht Jolies Maxine eine gewisse Entwicklung durch, was man von den anderen beiden Frauenfiguren aber kaum behaupten kann.

Dabei hätten bauch die beiden anderen Charaktere großes Potenzial dazu gehabt. Ada baut eine Freundschaft zu einem ukrainischen Model auf. Die beiden eint die Erfahrungen der Flucht und des Kriegs. Doch auch hier bleibt Winocour nur oberflächlich. Auch gelingt es Winocour nicht, die drei Geschichten zu einem Ganzen zu verweben.

Parallelen zur eigenen Familiengeschichte

Dennoch ist es natürlich berührend, Angelina Jolie in dieser Rolle zu sehen, die an ihre eigenen Erfahrungen erinnert. Die Trennung von Brad Pitt, der Rosenkrieg, ihr bisher nicht allzu erfolgreicher Sprung hinter die Kamera. 2013 machte Jolie öffentlich, sich einer präventiven beidseitigen Brustentfernung unterzogen zu haben. Danach ließ sie sich die Eierstöcke rausnehmen. Ein Gentest hatte gezeigt, dass sie eine Gen-Mutation in sich trägt, die das Risiko, an diesen beiden Krebstypen zu erkranken, sehr stark erhöhte. "Ich habe meine Mutter und meine Großmutter durch diesen Krebs verloren", sagte Jolie und gab zu, immer kurz vor den Tränen zu stehen, wenn sie über ihre Mutter sprechen soll. Bei den Dreharbeiten zu "Couture" habe sie viel an sie denken müssen. Dabei habe ihr der Film sogar beim Heilen von Wunden geholfen.

Kommentar zur politischen Lage

Und dann war Angelina Jolie nach nur wenigen Stunden auch schon wieder auf dem Rückweg nach London, wo sie ihre Dreharbeiten von Marc Forsters neuen Film "Anxious People" für einen Tag unterbrach, um nach San Sebastián zu kommen. Erst Sonntagmittag betrat sie das Hotel María Cristina zur Enttäuschung ihrer wartenden Fans durch einen Serviceeingang. Und nach der Vorführung von "Couture" saß sie auch schon wieder im Privatjet. Doch sie ging nicht, ohne noch etwas zur politischen Lage unter US-Präsident Donald Trump zu sagen: "Ich liebe mein Land, aber ich erkenne es im Moment nicht wieder. Es sind sehr schwierige Zeiten."

San Sebastián gehört neben Cannes, Venedig und Berlin zu den wichtigsten internationalen Filmfestivals. Doch die Fans müssen bis Freitag auf den nächsten Hollywood-Glamourmoment warten. Dann wird Jennifer Lawrence erwartet, um den Festival-Ehrenpreis entgegenzunehmen.

(Von Manuel Meyer/APA)

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