Kosky Ansatz klingt auf dem Papier spannend: Don Alfonso ist bei ihm ein Theaterregisseur oder vielleicht sogar ein Intendant, jedenfalls ein übler Geselle, der sich sehr schlecht benimmt, soll ja vorkommen. Ein Machtmensch, der seine Schauspieler wie Puppen benutzt, ihnen Böses will und die berühmte Intrige spinnt, die die (unterstellte) Untreue aller Frauen moniert und am Ende einen Scherbenhaufen hinterlässt.
Schöner Gedanke, Spiel im Spiel, Theater backstage, Probenstreit und wachsende Aggression - und irgendwann würde es wohl zumindest eine Art von Aufführung geben. Oder auch nicht...
Zweiter Anti-Libretto-Ansatz, den man schon mehrfach auch anderswo gesehen hat: Die beiden Damen sind Zuhörer der zynischen Wette, also von Anfang an involviert, durchschauen alles und sind daher extrem genervt. Das lassen sie alle anderen durchwegs spüren.
Dieses Konstrukt führt leider dazu, dass dem so genialen Werk viel an Komik und an Erotik genommen wird. Und dass man als Besucher nicht immer nachvollziehen kann, wo das Theater beginnt und wo das reale Leben. Die schönste Momente sind die besonders theatralischen, wenn etwa Ferrando und Guglielmo in der großen Verführungsszene im zweiten Teil in den gleichen Barockkleidern wie Fiordiligi und Dorabella agieren müssen - die sie dann rasch und wütend vom Leib reißen. Daraus, so hätte man es bei Kosky erhofft, könnte eine schöne zeitgemäße Geschichte über Geschlechterrollen, Feminismus, männliche Dominanz etc. entstehen. Aber er lässt das ebenso liegen wie die satirischen Szenen von Despina. Wenn sie den Medico spielt, ist sie diesmal ein Pannenhelfer, und die beiden Herren werden mit Starterkabeln im Hintern wieder zum Leben erweckt - ach wie originell, oder doch nur vulgär? Und der Notar von Despina ist diesmal blind, wahrscheinlich auch lustig gemeint.
Jedenfalls ist das Ganze respektlos gegenüber dem Libretto von Lorenzo da Ponte (man kann ja alles kritisieren, muss es aber nicht gleich verulken), überbebildert, eine Szene nach der anderen mit Ideen überfrachtet. Und eine böse Abrechnung mit diesen männlichen Idioten auf der Bühne. Zumindest insofern hat das eine Message.
Wenn wir nun also beim Guten im Heiklen sind: Die Inszenierung ist enorm musikalisch, das Timing perfekt. Mit den Sängerinnen und Sängern hat Kosky exzellent gearbeitet. Die am besten gezeichnete Figur ist Despina - ein cooler Teenager mit Kopfhörern, Trinkflasche, Moves wie aus dem HipHop und einer tollen Bühnenpräsenz. Dass sie sich allerdings auch derart offensiv zwischen die Beine greifen muss, ist schon wieder zu viel.
Die Kostüme (Gianluca Falaschi) sind extrem aufwändig, wenn es um die Bühnenroben geht, dann wieder streetwearig, wenn die Protagonisten Jeans, T-Shirts und DocMartens tragen. Vielleicht muss man die Aufführung ein paar Dutzend Male sehen, damit man die Logik der Kostümwechsel versteht. Und das permanente Changieren zwischen Theater und Leben. Klar ist jedenfalls, dass die Beziehungen am Ende kaputt sind - wer weiß, vielleicht kommen diesmal, in dieser non-binären Atmosphäre, letztlich doch Fiordiligi und Dorabella zusammen. Die Männerwelt ist jedenfalls over. Was anders und plausibler ausgeführt eine packende Lesart sein könnte.
Umso feiner, sensibler und ebenso präzise gearbeitet ist das Dirigat von Musikdirektor Philippe Jordan mit dem auf Topniveau spielenden Staatsopernorchestern. "Cosi von tutte" ist bei ihm - das hatte man vor Jahren auch schon in Paris in der Inszenierung von Anna Teresa De Keersmaeker gesehen - im besten Händen. Die Klangbalance ist perfekt, die Farbenpracht gewaltig, die Differenzierung besonders schön. Manche Tempi sind gewöhnungsbedürftig, etwa das sehr rasche "Soave sia il vento" oder das anfangs besonders langsame "Come scoglio".
Gesungen wird auf großteils hohem Niveau. Die Rezitative von Filipe Manu lassen bezüglich Timbre auf Schönes schließen, Bogdan Volkov als sein Alter Ego im Graben singt sehr zart und elegant. Federica Lombardi ist eine Fiordiligi mit schöner Höhe und weniger Kraft in den tiefen Registern, bewältigt die schwierige Partie jedoch insgesamt famos. Emily d'Angelo setzt als Dorabella mehr darstellerische als stimmliche Akzente, Peter Kellner ist ein Guglielmo mit viel Präsenz und wäre stimmlich wahrscheinlich besser und facettenreicher, wenn er nicht so viel turnen müsste. Kate Lindsey ist als Despina ein schauspielerisches Kraftbündel und Christopher Maltman ein ebensolches stimmliches und der beste Sänger des Abends.
Den Chor hört man gut, sieht ihn aber wieder einmal nicht - langsam wird das wirklich zur Unart von Regisseuren. Es gibt nun einmal Chöre in den meisten Opern, wenn man nicht weiß, was man mit ihnen machen soll, ist das Verstecken eine zu billige Methode.
Der "Cosi fan tutte"-Verirrungen gibt es viele. Das war szenisch nicht die kleinste.
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