Colombe Schneck: Annie Ernaux trifft Vic aus "La Boum"

Colombe Schneck: Annie Ernaux trifft Vic aus "La Boum"
In den Romanen der Pariser Autoren Colombe Schneck und Abel Quentin muss sich die sogenannte liberale Bourgeoisie unangenehmen Fragen stellen

Die erste Kurzgeschichte in Colombe Schnecks nun erstmals auf Deutsch zu lesender „Paris-Trilogie“ ist Annie Ernaux gewidmet. Der Text stammt aus dem Jahr 2015. Damals war Ernaux nicht vorrangig wegen ihrer Unterstützung der Israel-feindlichen BDS-Bewegung im Gespräch. Sie galt in erster Linie als viele Jahre unterschätzte Schriftstellerin, die in autobiografisch geprägten Texten auch über die Einsamkeit schrieb, die Frauen umgibt, die abtreiben. Dafür bedankt sich Colombe Schneck im Kurzroman „Siebzehn Jahre“, dem ersten Teil der „Paris-Trilogie“. So sehr sich ihre Biografie von der Ernaux’ unterscheidet – Schneck wuchs in den Achtzigern als Kind linksliberaler jüdischer Eltern in der Pariser Bourgeoisie auf, Ernaux, geboren 1940, in der Normandie in bescheidenen katholischen Verhältnissen – beide wurden jung ungewollt schwanger und schrieben darüber, beide praktizieren das sogenannte „autobiografische Schreiben“, das erkennbare Schöpfen aus der eigenen Biografie. Dieser Tage scheinen politische Positionen auch in der Literatur in harter Konkurrenz zu künstlerisch-handwerklichen Merkmalen zu stehen, wodurch man vergessen könnte, dass Ernaux eine fantastische Schriftstellerin ist.