Nicht unähnlich den Bühnenräumen eines Robert Wilson setzt Brown in der Ausstattung von Alex Lowde auf Psychologie, Licht und Video. Lowde hat ihm dafür eine Art Spiegelkabinett auf die sich permanent in Bewegung befindliche Drehbühne gestellt, das mit Projektionen (schön, jedoch schwer zu deuten: Tabea Rothfuchs) und Lichteffekten (fabelhaft die Lichtregie von Jean Kalman) Seelenzustände widerspiegeln soll.
Das bedeutet: Ein eleganter, teils etwas steriler Minimalismus regiert. Requisiten setzt Brown de facto gar nicht ein. Der Raum wird hier zum Star; die klassizistisch-futuristischen Kostüme passen da gut in das von wenigen Interaktionen bestimmte Gesamtbild. Da lenkt nichts von der Musik ab – so geht szenischer Purismus. Das muss man mögen – ein Teil des Publikums mochte es nicht – und aushalten. Gut gearbeitet ist das Ganze allemal. Und mit der Tänzerin Stina Quagebeur als Berenice wird sogar die Vorgeschichte (Titos unglückliche Liebe zu dieser „Barbarin“) thematisiert.
Womit wir aber schon bei der musikalischen Seite wären, die in dieser optischen Steilvorlage eigentlich aufblühen müsste. Doch die Betonung liegt hier auch auf dem Konjunktiv. Denn Dirigent Stefan Gottfried setzt am Pult des Concentus Musicus Wien ebenfalls oft auf klanglichen Minimalismus. Sein Mozart ist akademisch aufbereitet, kleinteilig, kammermusikalisch, niemals schwelgerisch oder übermäßig dramatisch. Das ist eine legitime Lesart, bei der man sich mitunter viel mehr an Verve und Spielwitz wünschen würde.
Egal, Gottfried atmet dafür mit den Sängern, bildet eine auch für kleine Stimmen solide Klangbasis. Die Gefahr allfälliger Orchesterfluten ist hier nie gegeben.
Dafür lassen einige Stimmen aufhorchen. An der Spitze der koreanisch-amerikanische Countertenor Kangmin Justin Kim, der als Annio die beste Leistung in dieser „Clemenza“ abliefert. Kims herrliches, helles, flexibles Timbre zieht in den Bann. Dumm nur, dass die Figur des Annio bloß eine Nebenrolle ist, mit David Hansen ein anderer Counter die so anspruchsvolle Partie des Sesto gestaltet. Forcierte, ja auch hässliche Höhen, eine kaum vorhandene Tiefe und große Schwierigkeiten in den Übergängen – dieser Sesto ist wahrlich kein Ereignis.
Ganz im Gegensatz zur Sopranistin Nicole Chevalier, die als Strippen ziehende Vitellia auch vokal stets am Rande des Furors wandelt, die allfällige Defizite mit Expressivität mühelos ausgleicht. Gewohnt erfreulich agiert auch die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen in der leider ebenfalls kleineren Rolle der aparten, treuen und aufrichtig liebenden Servilia. Jonathan Lemalu ergänzt als Publio souverän; der nur zur Statik angehaltene Arnold Schoenberg Chor überzeugt.
Und Tito? Diesen Herrscher gibt der britische Tenor Jeremy Ovenden sehr tapfer. Mehr aus dieser eindimensionalen, personifizierten Güte kann aber auch er nicht herausholen. Insofern: Milde statt Gerechtigkeit für Tito.
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