Bei ihm war der Komponist groß

Bei ihm war der Komponist groß
Das künstlerische Vermächtnis des Jahrhundert-Dirigenten auf Tonträger.

Der Begriff ,großer Dirigent’ hat für mich keine Bedeutung – es ist der Komponist, der groß ist.“ Dies war das künstlerische Credo von Claudio Abbado, der im Alter von 80 Jahren verstorben ist. Dass Abbado nach dieser Maxime gelebt und gearbeitet hat, war bei Dirigaten des Ausnahmekünstlers stets erlebbar. Und das ist es auch nach dem Tod des Giganten.

Groß ist das musikalische Vermächtnis Abbados, das auf diverse Tonträger gebannt wurde. Breit und vielschichtig war das Repertoire des Maestro. Eine kleine, subjektive, längst nicht vollständige Auswahl an empfehlenswerten Aufnahmen.

CD-Boxen

Bei ihm war der Komponist groß
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Claudio Abbado – The Symphony Edition“ heißt eine Kompilation, die 2013 anlässlich Abbados 80. Geburtstags bei der Deutschen Grammophon (DG) erschien. Auf 41 CDs finden sich Werke von Mozart (Orchestra Mozart), Haydn, Beethoven (Berliner Philharmoniker), Schubert, Mendelssohn, Brahms, Bruckner und Mahler (Berliner Philharmoniker und Lucerne Festival Orchestra), die Abbado selbst für diese Box ausgesucht hat.
Bei ihm war der Komponist groß
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Nicht weniger aufregend (und fabelhaft) ist die siebenteilige Box „Claudio Abbado – The Decca Years“, die Aufnahmen aus den Jahren 1966 bis 1969 enthält. Beethoven und Brahms, Mendelssohn und Bruckner, aber auch Verdi-Arien mit dem unvergessenen Nicolai Ghiaurov, dem „König der Bässe“, sind hier zu hören. Und man staunt über die Dynamik des jugendlichen Meisters aus Mailand.

Opernaufnahmen

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Eine besondere Liebe entwickelte Abbado zu den Opern Rossinis; Aufnahmen von „Il Viaggio a Reims“ (mit den Berlinern und einem Top-Cast, Sony), von „L’ Italiana in Algeri“ (mit den Wienern und Agnes Baltsa, DG) oder von „Barbiere“ (London Symphony Orchestra, mit Hermann Prey, DG) künden davon.

Im Verdi-Fach sind vor allem die älteren Aufnahmen (oft mit dem jungen Plácido Domingo) hervorzuheben; eine Erwähnung verdient „Simon Boccanegra“ (Wiener, mit Cappuccilli, Ghiaurov, Freni, Carreras). Hörenswert ist auch Abbados Interpretation des „Boris Godunow“ (Mussorgsky, Berliner, Sony). Gleiches gilt für Debussys „Pelléas et Melisande“ (Wiener, (DG) und Bergs „Wozzeck“ (Wiener, DG).

Bei ihm war der Komponist groß
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Im Wagner-Fach empfiehlt sich vor allem eine CD mit „Orchestermusik“ (Berliner, DG). Mit dem Lucerne Festival Orchestra sind vor allem Mahler-Symphonien erschienen. Bei Mozart kann man aus dem Vollen schöpfen. Exzellent sind die Dokumente von Abbados Zusammenarbeit mit Pianisten wie Martha Argerich und Maurizio Pollini; auch die zwei Neujahrskonzerte mit den Wienern bleiben. Und auch auf YouTube kann man Abbado hören und seine Meisterschaft optisch nachvollziehen.

Nach Claudio Abbados Tod reißen die Trauerbekundungen nicht ab. So erinnert sich Abbados Kollege und Freund Zubin Mehta im Corriere della Sera an die gemeinsame Studienzeit in Wien. Mehta: „Auch wenn wir keinen Groschen in der Tasche hatten, gingen wir zu den Konzerten in Wien und begnügten uns mit Stehplätzen.“ Und Abbados erste Ehefrau Giovanna Cavazzoni sagt im Corriere delle Sera: „Er ist dem Tod mit einem seltenen Mut begegnet, der natürlich auch mit Wut vermischt, jedoch immer würdevoll war. Claudio konnte in Frieden sterben. Er hatte fünf Monate lang den Trost seiner vier Kinder, seiner drei Enkelkinder und vieler Familienmitglieder“, so Cavazzoni.

Private Trauerfeier

Der Leichnam Abbados wurde gestern, Dienstag, in der Basilika des Heiligen Stefan in Bologna aufgebahrt. Der Sarg wurde von Abbados Wohnung auf der zentralen Piazza Santo Stefano zur Basilika getragen. Hinter dem Sarg ging Italiens Präsident Giorgio Napolitano, der davor der Familie Abbados kondoliert hatte. Die Trauerzeremonie wird im engsten Kreis der Familie erfolgen. Noch bis Mittwochnacht kann die Öffentlichkeit kondolieren.

Die Stadt Mailand hat aufgrund des Todes des Dirigenten den Mittwoch zum Trauertag erklärt. Die Fahnen in allen öffentlichen Institutionen der Heimatstadt Abbados wehen auf Halbmast. Im Senat wurde ein Blumenstrauß auf Abbados Sitz gelegt. Am 30. August 2013 war der Maestro von Präsident Napolitano wegen seiner Verdienste im Kulturbereich zum Senator auf Lebenszeit ernannt worden.

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