Claudia Stöckl: "Es gibt sehr viel, was ich weglasse"

Beim Frühstück spricht es sich anders: Claudia Stöckl
Seit 20 Jahren frühstückt Claudia Stöckl auf Ö3 mit Promis. Im Interview schaut sie zurück.

KURIER: Wir sitzen hier bei Kaffee. Bei Ihren Frühstücksinterviews klappert es immer so verheißungsvoll im Hintergrund. Gibt wirklich immer Frühstück?

Claudia Stöckl:Ich treffe die Gäste nicht immer in der Früh, Nina Hartmann habe ich zum Beispiel um zehn am Abend interviewt. Aber es soll immer ein Frühstück aufgedeckt sein, damit die Kulisse stimmt.

Mit Nina Hartmann wurde um zehn am Abend gefrühstückt?

Ja, genau. Aber natürlich ist es besser, wenn es der Vormittag ist, weil dann die Stimmung so ist wie bei der Ausstrahlung. Kurz nach dem Aufstehen hat jemand oft eine andere Befindlichkeit als nach einem langen Tag.

Sie legen viel Wert darauf, dass die Details stimmen?

Ja, weil ich finde, es spricht sich anders. Ich war ja ursprünglich skeptisch, was den Sendungstitel betrifft, ich fand ihn unjournalistisch. Zu amikal. Aber ich habe dann gemerkt, es wird persönlicher, wenn man eine Mahlzeit teilt. Es wird anders. Und es ist dann auch für die Interviewgäste anders, wie ich zuletzt wieder bei Vizekanzler Mitterlehner gemerkt habe. Da bemüht sich dann das Team, in seinem Büro ein schönes Frühstück zu decken und es ist gleich eine andere Stimmung da.

"Frühstück bei mir" gibt es seit 20 Jahren – "erst", möchte man sagen, die Sendung ist schon so eine Institution …

Im Jänner 1997 wurde die große Ö3-Reform unter Bogdan Roščić angefangen. Es gab im Bayerischen Rundfunk (BR) ein Vorbild für die Sendung, die hieß Prominentenfrühstück.

Der Anspruch war?

Einen interessanten Talk zu machen. Der Bogdan hat zu mir gesagt, gib der Sendung eine persönliche Note. Er hat mir als Vorbild Ruby Wax genannt, eine Teufelsreporterin aus England, die bei den Prominenten zu Hause den Kleiderschrank aufgerissen hat und geschaut hat, welche Dessous sie haben. Da hab’ ich gesagt, dafür bin ich nicht die Richtige. Wenn es eine persönliche Note geben soll, wird die anders sein. Und es hat sich schon beim ersten Gespräch mit Viktor Klima herausgestellt, dass Menschen zu Themen wie Glück oder Liebe sehr spannende Antworten haben.

Mitterlehner hat bei Ihnen erstmals öffentlich über den Tod seiner Tochter gesprochen. War das vorher abgesprochen?

Ich habe bei der Vorbereitung erfahren, dass es diesen Verlust gegeben hat. Mir ist schon während des Gesprächs aufgefallen, dass er kein Wort davon erwähnt hat. Deshalb habe ich ihn sehr offen gefragt, ob er bereit ist, darüber zu sprechen.

Andernfalls hätten Sie die Frage weggelassen?

Es gibt sehr viel, was ich weglasse. Ich will niemanden vorführen. Ich will, dass sich meine Interviewpartner gut behandelt fühlen. Manchmal erwischt man den Zeitpunkt, an dem eine Person sagt: ,Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um über etwas zu sprechen.‘

Sie haben immer wieder Politiker zu Gast – wieviel wird da im Vorfeld abgesprochen? Werden Themen abgesteckt?

Solche Gespräche gibt es eigentlich nicht. Bei mir wissen die meisten, dass es eher auf den Werdegang bezogen ist, auf persönliche Seiten. Einmal hat mir ein Politiker gesagt, dass er nicht über die Scheidung von seiner Frau reden will, das ist auch überhaupt kein Problem. Sonst lässt man mich eigentlich tun.

Immer wieder finden bei Ihnen getroffene Aussagen auch den Weg in die Nachrichten.

Das ist natürlich für die Sendung gut. Sie soll ja nicht nur am Sonntag zwischen neun und elf Uhr stattfinden, sondern wird z.B. auch schon während der Woche angekündigt, damit sie mehr bewirkt. Und sie bewirkt viel. Bücher schnellen hinauf in den Bestsellerlisten, die Gäste werden darauf angesprochen… Es ist schön für mich zu merken, dass die Leute wirklich zuhören. Im Dezember war Andi Wojta im „Frühstück bei mir“ und hat erzählt, dass er in die Sauce von den gefüllten Paprika Zucker hineingibt. In der Woche nach der Sendung hat er den zehnfachen Umsatz mit gefüllten Paprika gemacht und seine Mutter musste ihm Säcke voll mit Paprika vorbeibringen.

Was machen Sie, wenn Ihnen Gäste nicht sympathisch sind?

Früher habe ich gedacht, es solle professionell und neutral sein. Mittlerweile sehe ich das anders. Es hat Gäste gegeben, da hat die Chemie nicht gepasst. Ben Becker z. B. hat sich die ganze Zeit über meine Fragen beschwert. Im Nachhinein bewundere ich fast meine Geduld, es war kurz davor, dass ich aufgestanden und gegangen wäre. Aber ich bin pragmatisch, ich muss die Sendezeit füllen. Damals sind die Telefone heiß gelaufen. Ich finde es gut, Emotionen zu wecken. Das Glatte ist ja auch langweilig. Paulus Manker zum Beispiel hat immer gesagt, er wird mich zwicken und ich sei eine Musterschülerin, weil ich so gut vorbereitet bin. Das ist bis heute ein Highlight, das wir immer wieder wiederholen.

Mittlerweile lassen Sie Unstimmigkeiten in der Sendung zu?

Wenn etwas Spannendes dabei passiert, ja. Ich bin gefestigt in meiner Persönlichkeit und man darf sich das trauen.

Matthias Hartmann ist einmal aufgestanden und gegangen. Was ist da passiert?

Ich habe mir das Rohmaterial noch einmal durchgehört und muss sagen, ich habe wirklich sehr oft nachgefragt. Es ging um den Konflikt mit Gert Voss. Voss hat sich auf der Bühne das Bein gebrochen und Hartmann hat ihn nicht im Spital besucht. Ich habe dreimal nachgefragt und irgendwann hat er gesagt, er hat keine Lust mehr, ist aufgestanden und gegangen – aus seinem Büro. Das war sehr interessant. Ich bin da gesessen – es war Freitagnachmittag, der Trailer zur Sendung ist schon auf Ö3 gelaufen – und ich hab mir gedacht, das ist jetzt schwierig. Er ist dann wieder gekommen und hat gesagt, er hat eigentlich überhaupt keine Lust mehr. Und dann hab ich zu ihm gesagt, ich auch nicht. Aber irgendwie haben wir dann beide lachen müssen. Und das Interview wurde gesendet.

Inklusive Eklat?

Nein, aber das gibt‘s am Sonntag in der Jubiläumssendung zu hören.

Gibt es Lieblingsinterviews?

André Heller, ich weiß, er ist oft zu Gast, aber er hat einfach was zu sagen und formuliert besonders. Ich weiß auch, dass die Hörer ihn lieben. Ich finde Richard David Precht auch immer spannend. Ich stehe eher auf diese philosophische Richtung. Wenn jemand die Welt oder seine eigene Innenwelt gut erklären kann, das ist wunderbar. Es ist auch schön, die Menschen durch ihr Leben zu begleiten.

Sie haben also kein Problem damit, Niki Lauda zum 12. Mal zu interviewen?

Nein. Menschen entwickeln sich ja auch. Niki Lauda hat auch mein Benefizprojekt unterstützt, als ich ein halbes Jahr ein indisches Pflegekind hatte. Wir waren ihn und seine Frau dann einige Male besuchen und ich habe ihn wieder von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Das war dann auch Thema in der Sendung. Wie liebevoll und mitfühlend er eigentlich mit einem Kind ist, das ihn gar nicht versteht, das war sehr beeindruckend. Und er ist ein toller, witziger Erzähler, das muss man auch können. Michael Niavarani kann das auch extrem gut. Eine Geschichte so erzählen, dass der Hörer dran bleibt.

Was machen Sie mit Interviewpartnern, die sehr wortkarg sind, oder sich schlecht ausdrücken?

Das spielt bei unserer Auswahl eine Rolle. Wo wir wissen, das könnte holprig werden, fragen wir oft nicht an. Das „Frühstück“ hat einen hohen Wortanteil und man muss schon gerne zuhören. Wenn ich neue Gäste vorschlage, fragt Ö3-Chef Georg Spatt manchmal: Wie klingt der? Denn Wortkargheit ist natürlich schwierig. Ich habe einmal Lena Meyer-Landrut interviewt, sie hat bei jeder zweiten Frage gesagt, darüber spricht sie nicht.

Wieviel Minuten Roh-Material brauchen Sie für eine Sendung?

Mein absolut kürzestes Interview war mit Elyas M‘Barek, da hat mir das Management 20 Minuten zugestanden. Da habe ich wirklich jeden Satz verwenden müssen und habe dann auch einen Fitness-Trainer eingeladen, der über seine Crossfit-Methode erzählt hat, damit wir das ein bisschen strecken. Aber das ist zu wenig. Normalerweise sage ich, ich brauche eine Stunde.

Und das längste Interview? Kommt es vor, dass man sich verquatscht?

Das ist bei einem Frühstück natürlich sehr verlockend. Zum 15-Jahr-Jubiläum war Michael Niavarani bei mir zu Hause und hat mich interviewt. Das hat sieben Stunden gedauert. Er war eher unvorbereitet, hat immer nach Fragen gesucht und ist rauchend um den Tisch gegangen. Dann hatte er einen Geistesblitz und hat gesagt: ‚Dreh wieder auf, dreh wieder auf!‘ Wir sind vom Hundertsten ins Tausendste gekommen. Eigentlich hab ja ich dann ihn interviewt. Aber es hat viele Interviews gegeben, die vier Stunden gedauert haben. Walter Eselböck ist auf einmal aufgestanden und hat angefangen Fisch zu kochen, da wurde dann ein Mittagessen daraus. Das Ehepaar Eselböck hat viel erzählt, über Krisen und familiäre Prägungen. Es ist ein sehr persönliches Gespräch geworden. Manche vergessen dann das Mikrophon.

Kommt es vor, dass Leute im Nachhinein vor sich selbst erschrecken?

Schon, das passiert schon. Manchmal ist es auch positiv. Der Andi Wojta zum Beispiel hat viel über die Krebserkrankung seiner Mutter erzählt, und sehr, sehr viel positives Feedback bekommen.

Haben Sie Wunschgäste?

Von Barack Obama über Donald Trump, Arnold Schwarzenegger bis zu Angela Merkel … in Österreich Peter Schröcksnadel, aber der kommt nicht, ihm ist das zu persönlich. Von Christian Kern habe ich eigentlich schon eine Zusage – als ÖBB-Chef wollte er nicht. Es waren so viele schon, helfen Sie mir…

Der Miterfinder Ihrer Sendung und designierte Staatsoperndirektor, Bogdan Roščić?

Er wird eine Einladung bekommen.

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