Clara Luzia - kritische, bittersüße Hofnärrin

Clara Luzia: Ihre Tour beginnt am Mittwoch im WUK. Ihr Album „Here’s To Nemesis“ ist eben erschienen. Luzia gilt als Wegbereiterin der neuen österreichischen Popwelle.
Das neue Album der österreichischen Singer/Songwriterin Clara Luzia.

Clara Luzia, 1978 in eine Winzerfamilie in Oberretzbach geboren, zählt zu den interessantesten Persönlichkeiten der heimischen Musik-Szene. Mit ihren einerseits der alternativen Szene zugeordneten, aber immer zugänglich geschriebenen Songs ist sie Wegbereiterin der neuen österreichischen Popwelle um Wanda und Bilderbuch.

Clara Luzias neues Album "Here’s To Nemesis" ist eben erschienen, am Mittwoch beginnt sie im WUK in Wien eine Tournee durch Österreich, Deutschland und die Schweiz.

KURIER: Der Titel "widmet" dieses Album sozusagen der griechischen Rachegöttin Nemesis.
Clara Luzia:
Nemesis ist die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit. Darunter verstehe ich keine Rache, sondern sie ist für mich Sinnbild einer Waage, einer Balance. Dieser Tage ist die Idee einer ausgleichenden Gerechtigkeit für mich zur Notwendigkeit geworden, um mir noch irgendein Fünkchen Hoffnung für die Menschheit erhalten zu können.

Sie legen viel Wert auf genau ausgearbeitete, kritische Texte. Eignet sich Popmusik als Trägermedium für Politik, Widerstand, Weltveränderung?
KünstlerInnen sind die HofnärrInnen, die alles sagen dürfen, die alles sagen müssen. Aber die kapitalistische Logik macht natürlich auch vor der Kunst nicht Halt, und Geld oder der potenzielle Verlust desselben macht viele maulfaul. Lieber nichts sagen, man könnte ja XXXX – beliebig einsetzbar: SponsorInnen/Publikum/Öffentlichkeit/KooperationspartnerInnen – verlieren. Aber ja, ich glaube an Veränderung durch Kunst, an die potenzielle Sprengkraft von Kunst – mehr sukzessive denn explosionsartig, und eher von unten nach oben als von oben nach unten. Gut gemachte Kunst regt zum Nachdenken an, und das kann viel verändern.

Zur Musik: Es fällt sofort auf, dass Ihr typischer Wall Of Sound diesmal verschwunden ist, der Klang ist sehr reduziert. Wie kam es dazu?
Das liegt primär an drei Personen: Schlagzeugerin Catharina Priemer, Produzent Julian Simmons und mir selbst. Am Anfang stand mein Entschluss, das neue Album und auch live für die nächste Zeit nur mehr im Trio (Bass/Gitarre/Schlagzeug) zu spielen – eben auch weil ich einen neuen Sound wollte. Das überschnitt sich mit dem Neuzugang von Catharina am Schlagzeug. Ihr Spiel ist sehr direkt, schnörkellos und sie hat einen enormen Punch – das korrelierte also bestens mit meinen Trio-Plänen. Sie war es dann auch, die mich zur Tremolo-Gitarre gebracht hat. Und mit unserer Version von "Sinnerman" für Andreas Prochaskas "Das Finstere Tal" hatten wir so eine Art Blaupause für den neuen Sound geschaffen, den dann Produzent Julian Simmons noch weiter verfeinert hat.

Ihre Musik hat bei allen schroffen Aspekten immer sehr infektiöse Melodien. Ist das eine bewusste Entscheidung?
Nein. Der Moment des Liedschreibens selbst ist bei mir generell ein sehr intuitiv-assoziativer. Aber ich liebe bittersüße Melodien, ohne die geht eher wenig.

Derzeit ist viel von der neuen österreichischen Welle die Rede. Fühlen Sie sich als Teil dieser Bewegung, spüren Sie Rückenwind?
Überspitzt formuliert könnte man sagen, Wanda ernten das, was seit Jahren gesät wurde. Die Jahre 2000 bis 2010 waren sehr, sehr spannend, da ist viel entstanden, viele Labels wurden gegründet, die sich sehr intensiv um ihre Bands gekümmert haben, da konnte vieles hemmungslos wachsen, da man weder auf Interessen von Majorlabels noch Ö3 Rücksicht nehmen musste, weil die das alles ohnehin ignoriert haben. Nun professionalisiert und institutionalisiert sich wieder alles mehr – was auch sein Gutes hat, aber es auch wieder ein bissl fader macht. Der Erfolg von Wanda oder Bilderbuch bringt diesen beiden Bands und ihrer Entourage etwas, aber sonst niemandem, da sollte man bei aller Euphorie realistisch bleiben.

Man kann ja als Musiker schwer überleben, der Tonträgerverkauf marginalisiert sich, Konzertmöglichkeiten gibt es in Österreich wenige. Verspüren Sie eine Verlockung zum "bürgerlichen" Leben?
Natürlich gibt es Momente oder Phasen, wo ich alles hinschmeißen will, weil der ökonomische Druck schon sehr heftig ist. Aber die "Working Poor" gibt’s ja mittlerweile nicht nur im Kreativbereich, sondern sie lösen langsam den Mittelstand ab, insofern: Wenn es sich eh fast überall prekär lebt, dann bleibe ich vorerst da, wo ich zumindest geistig-emotionale Befriedigung finde.

Kommentare