„Kein Wunder, dass Shakespeares Stücke oft vertanzt werden“
Von: Silvia Kargl
Christopher Wheeldons „The Winter’s Tale”, uraufgeführt 2014 mit dem Royal Ballet in London, feierte am Dienstag (19. November) beim Wiener Staatsballett in der Staatsoper Premiere. Innerhalb weniger Jahre wurde das abendfüllende Handlungsballett zu einem „Klassiker“ des internationalen Balletts. Koproduziert wurde mit dem renommierten American Ballett Theatre New York.
Wheeldon begann seine Karriere als Tänzer beim Royal Ballet, dem er bis heute als „Artistic Associate“ verbunden ist, und wechselte zwei Jahre später (1993) zum New York City Ballet. Seit seiner Ernennung zum Haus-Choreografen dieser Compagnie 2001 zählt er zu den meistgefragten Choreografen seiner Generation. Sein Stil beruht auf klassischem Ballett, zudem gilt er als äußerst musikalischer Choreograf. Er schuf Ballette u. a. auch für das Ballett der Pariser Oper, das Hamburg Ballett, und er kreierte 2012 das begeistert aufgenommene „Cinderella“ für Het Nationale Ballet in Amsterdam. Dazu choreografiert der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Wheeldon für Oper Film, und Musical. Zuletzt gewann das von ihm 2022 am Broadway inszenierte und choreografierte „MJ The Musical“ über Michael Jackson vier Tony Awards.
Wie kamen Sie auf das eher selten aufgeführte Shakespeare-Stück „The Winter’s Tale“ als Stoff für ein Ballett?
Ich glaube, es wurde noch nie vertanzt. Ich habe mich im Vorfeld mehr oder minder durch alle Stücke Shakespeares gelesen. Kein Wunder, dass seine Stücke oft vertanzt werden, gibt es doch wirklich viele körperliche Einfälle darin. Dieses Stück aber ist wahrlich sehr komplex, die Handlung nicht einfach zu erzählen, aber sehr interessant. Ich habe mich mit dem Regisseur Nicolas Hytner beraten, der ein großartiger Kenner der Stücke Shakespeares ist. Er meinte, die Dualität der zwei Welten in den unterschiedlichen Schauplätzen von Böhmen und Sizilien sowie der poetische Symbolismus von „The Winter’s Tale“ sind schwierig zu inszenieren – aber vielleicht besser zu tanzen! Für mich muss die Handlung in den Schritten erzählt werden, ganz im Tanz, nicht etwa mit Mitteln der Pantomime. Das macht mein „Winter’s Tale“ auch zu einer Herausforderung für die Tänzerinnen und Tänzer, es ist nicht leicht. Ständig gibt es einen Bewegungsfluss, was auch für die herrliche Ausstattung von Bob Crowley gilt.
Joby Talbot hat die Musik für das Ballett komponiert. War er in den Entstehungsprozess eingebunden?
In Wien steht Christoph Koncz am Dirigentenpult, der seine musikalische Laufbahn als Stimmführer der Sekundgeigen im Orchester der Staatsoper und bei den Wiener Philharmonikern begann. Was zeichnet einen guten Ballettdirigenten aus?
Ich schätze es, wenn ein Dirigent im Vorfeld schon Tanzproben ohne Orchester besucht, um die Choreografie kennenzulernen. Das hat Christoph auch gemacht! Es ist nicht leicht, ein Ballett zu dirigieren. Der Dirigent muss einerseits darauf achten, die Musik nach den Vorgaben des Komponisten umzusetzen. Gleichzeitig soll er aber auch ein Auge auf die Geschehnisse auf der Bühne haben, möglichst schnell auf die Tänzerinnen und Tänzer reagieren. Er ist die Brücke, die Musik und Tanz verbindet, das ist eine hochkomplexe Aufgabe.
2015/'16 war Ihr Ballett „Fool’s Paradise“, auch zur Musik von Joby Talbot, beim Staatsballett zu sehen. Welche Veränderungen fallen Ihnen in der Compagnie auf?
Einige Tänzerinnen und Tänzer sind weiterhin da und wieder dabei! Ioanna Avraam, Ketevan Papava, Davide Dato und Eno Peci, mir gefällt diese Vertrautheit. Zudem empfinde ich die Staatsoper familiärer als zum Beispiel die Oper in London, die in ihren Dimensionen fast schon eine kleine Stadt ist. Die Wiener Compagnie hat sich dennoch verändert, es gibt viele interessante Persönlichkeiten: „More flesh on the bone“ („mehr Fleisch auf dem Knochen“) – jedoch nicht auf den Körperbau bezogen! Ich denke, es ist insgesamt mehr Substanz für das Erarbeiten neuer Stücke vorhanden.
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