Man fragt sich auch, wie der in zeitlicher, örtlicher und sozialer Hinsicht beengte Raum, in dem sich dieses Drama abspielte, dafür verantwortlich war, dass zwei Personen in kurzer Zeit derart intensiv aufeinander reagieren konnten: Die Berg-Lavant-Geschichte erzählt von künstlerischer Moderne, aber auch von provinzieller Enge, von großem Pathos ebenso wie von Reduktion und Kargheit, sie erzählt viel von Österreich.
Der Künstler Werner Berg, aus Nordrhein-Westfalen stammend, vereinte diese Extrempole in seinem Werk: Als Künstler-Aussteiger hatte er sich von einem vorgezeichneten bürgerlichen Leben verabschiedet und sich 1930 auf dem Rutarhof im tiefsten Unterkärnten niedergelassen.
Die Art und Weise, wie er die dortige Landschaft, die Bevölkerung und deren Lebensweise in Gemälden, Holzschnitten und Zeichnungen zu Kunst umformte, war von einem Streben nach Klarheit befördert, die an französische Moderne-Vorreiter wie die Gruppe der Nabis oder den Exzentriker Paul Gauguin erinnert, der seine Version Kärntner Eigentlichkeit zeitweise auf Tahiti gefunden hatte.
Kreativer Kick
Das Werner-Berg-Museum im Kärntner Ort Bleiburg/Pliberk zeigt eine breite Auswahl an Werken, einige gehen dem November 1950, in dem Berg Christine Lavant bei einem Literatentreffen im Städtchen St. Veit begegnete, voraus. Dass mit der abrupt einsetzenden Liebesbeziehung auch ein kreativer Kick einherging, lässt sich im Museum nachvollziehen: Die Art, wie da die als Hintergrund abgemalten Bauernmöbel zum symbolischen strengen Raster werden, wie die Konturen der Gewänder und Gesichter an Ausdruckskraft gewinnen, zeugt von einem künstlerischen Wagemut, den man in manch früheren Reduktionsübungen Bergs so nicht sieht.
Nicht zuletzt aber war es Christine Lavant, die mit ihrer Erscheinung – dünn, meist mit Tuch am Kopf, die Augen groß und ausdrucksstark hervortretend – für den Künstler ein Idealbild darstellte.
Für die Literatin, die ärmsten Verhältnissen entstammte und in einer repressiven Ehe mit dem erfolglosen Landschaftsmaler Josef Habernig festsaß, war derartige Bewunderung ungewohnt: Von Kindesbeinen an kränklich und durch eine frühe Tuberkulose-Erkrankung mit sichtbaren Spuren am Körper sowie einer eingeschränkten Hör- und Sehfähigkeit gezeichnet, war die als Christine Thonhauser Geborene immer wieder Opfer von Spott und Ausgrenzung geworden.
Dreiecksbeziehung
Dass Lavant in ihrer Beziehung zu Berg auch sexuelle Entfaltung erlebte, erwies sich als Katalysator für ihr leidenschaftliches Schreiben – von Briefen, aber auch von jenen Gedichten, deren Essenz erst später, 1956, in dem Band „Die Bettlerschale“, erscheinen sollten. Doch Berg war verheiratet und in ein rigoroses bäuerliches Leben eingebunden.
Die Idee, er könne auf dem Rutarhof, den er mit seiner Frau Mauki und den gemeinsamen Kindern bewirtschaftete, auch noch eine Dreierbeziehung realisieren, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Dass die Dichterin von ihm auch schwanger wurde – und aufgrund ihrer schlechten körperlichen Verfassung 1951 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen musste – erfuhr Berg erst mit Verzögerung.
All das steht ausführlich im Nachwort der Briefedition. In der Ausstellung des Bleiburger Museums müssen Besucherinnen und Besucher dagegen tief graben, um die Dramatik zwischen den Bildwerken und den sie begleitenden Gedichten und Audioguide-Spuren zu erfassen.
Dass man hier nicht klarer und didaktischer vorging, um die Geschichte zu erzählen, ist ein Manko der Schau; gleichwohl führt die Fülle an Bildern, Originalfotos und Dokumenten tief in die Zeit und die Besonderheiten der Region hinein. Das Motiv der „schlafenden Hühner“ – mit einem Hahn in der Mitte – etwa malte Berg in jener Zeit des Öfteren: mit Hintergrundwissen wird man die Darstellung als Metapher für den zwischen zwei Frauen zerrissenen Maler deuten können.
In Briefen, die auch in Vitrinen ausgestellt sind, offenbart sich ein teilweise freundschaftliches, ja bewunderndes Verhältnis zwischen Bergs Frau Mauki und Christine Lavant, die ab 1951 öfters am Rutarhof zu Gast war. Gleichwohl brachte das Wissen um die Beziehung des Malers zur Dichterin die Ehefrau an den Rand eines Zusammenbruchs.
Berg selbst litt unter den Spannungen, hinzu kamen Probleme in der Karriere – insbesondere der in Wien tätige Herbert Boeckl, nach einem Zerwürfnis vom Freund zum Feind geworden, tat sich dabei hervor, dem Künstler Prügel in den Weg zu legen. Berg versuchte, sich 1955 das Leben zu nehmen – in der Folge musste Lavant seiner Frau versprechen, jeden weiteren Kontakt zu vermeiden.
Gefangen in Gegebenheiten
„Werner Berg, der Konventionen so sehr ablehnte, war letztlich Gefangender der Gegebenheiten seines Lebens geblieben“, schreibt Bergs Enkel Harald Scheicher im Nachwort der Briefedition. Bis in die 60er Jahre hinein kämpfte Berg mit Alkoholproblemen, bis zu seinem Tod 1981 aber rang er sich noch Bildwerke ab.
Lavant dagegen veröffentlichte nach der leidenschaftlichen Zeit mit Berg Episode kaum noch Gedichte, 1973 starb sie in einem Pflegeheim in Wolfsberg. „Bis zuletzt“, schreibt Scheicher, „hat sie in Briefen ihrer Sehnsucht nach der Liebe ihres Lebens, Werner Berg, Ausdruck verliehen.“
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