"Davon kann man nur träumen"

APA11963584 - 19032013 - SALZBURG - ÖSTERREICH: Fotoprobe zu Richard Wagners Oper "Parsifal" am Dienstag, 18. März 2013, mit dem Dirigenten Christian Thielemann, im Großen Festspielhaus in Salzburg. Opernpremiere ist am Samstag, 23. März, im Rahmen der Salzburger Osterfestspiele. APA-FOTO: BARBARA GINDL
Dirigent Christian Thielemann über seine ersten Salzburger Osterfestspiele und sein Vorbild Karajan.

Bei den Salzburger Osterfestspielen beginnt am Samstag eine neue Zeitrechnung. Zum ersten Mal seit 1967, seit der Gründung durch Herbert von Karajan, eröffnen nicht die Berliner Philharmoniker, sondern die Sächsische Staatskapelle Dresden das Luxusfestival. Sie sind das neue Residenzorchester und das künstlerische Zentrum der Festspiele. Nötig wurde diese Änderung durch den Abzug der Berliner nach Baden-Baden in Folge des Finanzskandals rund um das Salzburger Festival. In Baden-Baden dirigiert Simon Rattle heute „Zauberflöte“.

In Salzburg ist man mittlerweile glücklich über diese Rochade, denn mit den Dresdnern kam auch deren Chefdirigent Christian Thielemann nach Salzburg. Er ist der neue künstlerische Leiter der Osterfestspiele und dirigiert heute Richard WagnersParsifal“.

KURIER: Sie übernehmen ab heuer das von Karajan gegründete Festival und werden auch künstlerisch immer wieder mit ihm verglichen. Sind Sie von diesen ständigen Vergleichen geehrt oder auch genervt?
Christian Thielemann:
Weder noch. Karajan war und ist für mich ein großes Vorbild, daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Allerdings bin ich ja auch nicht mehr 20, habe mich weiterentwickelt und in vielen Dingen meinen eigenen Weg gesucht – und hoffentlich auch gefunden. Damals, als ich Karajan in Salzburg bei der Einstudierung des „Parsifal“ assistierte, war ich fast noch zu jung, um von ihm wirklich zu lernen.

Warum haben Sie sich ausgerechnet für „Parsifal“ als Eröffnungspremiere entschieden?
Das ist ganz einfach und ziemlich profan. Der „Parsifal“ war bereits programmiert, als Peter Alward (geschäftsführender Intendant, Anm.) auf uns zukam und uns fragte, ob wir ab 2013 die Osterfestspiele Salzburg bestreiten wollten. Wir sahen keine wirkliche Notwendigkeit, an diesen Plänen etwas zu ändern. Ganz im Gegenteil: Im Jahr des 200. Geburtstags von Richard Wagner eine Neuproduktion des „Parsifal“ zu dirigieren, und dies am Pult seiner einstigen „Wunderharfe“ und mit einem wirklich exquisiten Solistenensemble, davon kann man doch eigentlich nur träumen.

Der Sänger des Amfortas ist diesmal auch der Sänger des Klingsor. Hat das nur musikalische oder auch inszenatorische Gründe?
Zunächst einmal waren wohl musikalische Gründe hierfür ausschlaggebend. Als ich mit Wolfgang Koch darüber sprach, sagte er mir, dass es schon immer sein Wunsch gewesen sei, einmal beide Rollen innerhalb einer Produktion zu übernehmen. Dies ist natürlich nur möglich, weil sich die beiden Partien nicht überschneiden. Je mehr wir dann darüber nachgedacht haben, desto schlüssiger erschien uns diese Idee. Amfortas und Klingsor können nämlich durchaus als Alter Ego verstanden werden. Michael Schulz (Regisseur des „Parsifal“, Anm.) war von dieser Idee auch sofort sehr angetan.

Sie haben schon Wagners Bezeichnung „Wunderharfe“ für die Sächsische Staatskapelle erwähnt. Nun sind Sie seit einigen Monaten deren Chef. Wie würden Sie selbst diesen Klangkörper charakterisieren?
Die Staatskapelle ist ein Orchester, welches Konzert- und Opernrepertoire auf gleichermaßen hohem Niveau spielen kann. Das ist zunächst mal eine Qualität, die Sie nur ganz selten finden. Musikalisch zeichnet sich sie sich durch eine große Homogenität, durch einen besonders farbigen, warmen und vor allem niemals grellen oder aggressiven Klang und eine sehr natürliche und musikantische Phrasierung aus. Die Musiker der Staatskapelle atmen wie ein Sänger. All das sind Gründe, warum ich mich hier so gut aufgehoben fühle.

Die Osterfestspiele Salzburg waren in den vergangenen Jahren nicht nur aus künstlerischen Gründen in den Schlagzeilen. Wie sehr sind für Sie die früheren Skandale noch spürbar?
Nun, man liest vereinzelt dies und das in den Zeitungen. Bei unserer Arbeit verspüren wir von diesen Schlagzeilen aber nichts. Die Atmosphäre ist entspannt, sehr konzentriert und voller Vorfreude auf das, was da kommt. Wir fühlen uns alle wahnsinnig wohl in Salzburg und sind hier von allen Seiten ganz herzlich aufgenommen worden.

Karajan hat das Festival einst auch als Gegengewicht zu Bayreuth gegründet. Wo sehen Sie heute den Platz der Osterfestspiele?
Viel wichtiger als der vermeintliche Gegenpol zu Bayreuth erscheint mir doch der Qualitätsanspruch, den Karajan vertrat und an den auch wir uns gebunden fühlen. Das Beste war gerade mal gut genug für Salzburg. Und daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern.

Ihr Kollege Simon Rattle hatte zuletzt gemeint, die Salzburger Osterfestspiele hätten ihre Einzigartigkeit verloren. Wie begegnen Sie dem?
Sicherlich gibt es heute deutlich mehr Festivals als zu der Zeit, als Karajan die Osterfestspiele ins Leben gerufen hat. Darüber muss man nicht diskutieren. Entscheidend für die Reputation eines Festivals – und darauf zielen Sie mit Ihrer Frage ja ab – ist aber die künstlerische Qualität. Wenn wir hier unseren Ansprüchen und Erwartungen und denen unseres Publikums gerecht werden, mache ich mir um alles andere überhaupt keine Sorgen.

Im Wagner-Jahr werden allerorts Werke des Bayreuther Meisters aufgeführt – nicht immer auf höchstem musikalischen Niveau und oft mit szenischen Experimenten. Wie sehen Sie diese Fülle?
Um mir hier ein wirkliches Urteil erlauben zu können, müsste ich dies ja alles sehen. Das kann ich aber nicht. Generell bieten solche Jubiläen aber immer einen willkommenen Anlass, sich mit dem Schaffen eines Komponisten noch etwas genauer zu beschäftigen, als man dies ohnehin schon tut. Und dies dürfte sogar für so populäre Komponisten wie Wagner und Verdi gelten. Dass es dabei auch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommt, die zudem noch kontrovers diskutiert werden, liegt doch in der Natur der Sache. Na und? Ist doch gut so.

Die nächste Premiere, die Sie an der Wiener Staatsoper dirigieren werden, ist 2015 „Hänsel und Gretel“. Wie kam es zu dieser Wahl?
Ich liebe diese Oper und halte sie für ganz große Musik. Warum also nicht?

Wie sehr freut es Sie, dass Ihr gefeierter „Ring“ aus Wien nun doch als CD-Box erscheinen wird?
Das freut mich natürlich. Ich habe viele schöne Erinnerungen an diese Produktion. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir meine eigenen Aufnahmen dann doch eher selten anhöre. Ich weiß gar nicht warum, aber letztendlich kenne ich sie ja. Da interessieren mich die Aufnahmen aktueller wie ehemaliger Kollegen mehr.

In Deutschland wird viel über die Zukunft der Berliner Philharmoniker diskutiert, und Sie werden dabei immer wieder als idealer Nachfolger für Rattle genannt. Stellt sich diese Frage überhaupt?
Für mich stellt sich diese Frage nicht. Wir haben doch in Dresden gerade erst angefangen. Ich bin wirklich glücklich auf meiner neuen Position. Ich habe hier alles, was ich mir wünschen kann. Dresden ist eine wunderbar entspannte Stadt, mit viel Sinn für Historie und Tradition, in der ich mich sehr wohl fühle und in der man sehr konzentriert arbeiten kann. Hier habe ich noch viel vor.

Die Salzburger Osterfestspiele beginnen mit Wagners „Parsifal“. Christian Thielemann dirigiert die Sächsische Staatskapelle, die Inszenierung stammt von Michael Schulz. Johan Botha ist in der Titelpartie zu hören, Wolfgang Koch als Amfortas sowie als Klingsor, Michaela Schuster als Kundry und Stephen Milling als Gurnemanz.

Am Sonntag leitet Myung-Whun Chung die Dresdner bei Werken von Weber, Beethoven (Evgeny Kissin ist Solist beim 4. Klavierkonzert) und Mahler. Am Montag dirigiert Thielemann „Ein deutsches Requiem“ von Brahms (es singen Christiane Karg und Michael Volle). Am Dienstag steht Thielemann bei Werken von Henze, Beethoven und Brahms am Pult. Am Osterwochenende gibt es den Zyklus noch einmal.

Ein Abo für Oper und drei Konzerte kostet 1190 Euro (490 davon für den „Parsifal“). Um aber auch günstigere Karten anbieten zu können, gibt es heuer auch ein „Konzert für Salzburg“. Thielemann und Myung-Whun Chung dirigieren am 28. März im Großen Festspielhaus Werke von Wagner und Verdi. Karten: 10 bis 70 Euro.

Für Spezialisten besonders interessant ist, dass ab Gründonnerstag auch in Wien „Parsifal“ gegeben wird. Mit Franz Welser-Möst am Pult und Jonas Kaufmann in der Titelpartie.

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