Auf der Bühne des Hauses für Mozart wurde heftig getrauert, 90 Minuten mehr oder weniger durchgehend, bei der Neuproduktion von Christoph Willibald Glucks „Orfeo ed Euridice“. Und anschließend wurde gefeiert, weil Cecilia Bartoli, die Chefin des Festivals, die Protagonistin, der kreative Wirbelwind, zur Kammersängerin ernannt wurde. War auch höchste Zeit – dass Bartoli diesen Ehrentitel erhielt und dass eine solche Verleihung zum ersten Mal überhaupt in Salzburg stattfand.
Das Werk
In diesem Jahr also „Orfeo ed Euridice“ zum Fest des Heiligen Geistes, passt nicht schlecht. Orfeo kriegt von den Göttern die Ausnahmegenehmigung, zu seiner Frau in die Unterwelt hinabzusteigen, um sie ins Leben zurückzuholen. Dafür muss er zunächst die Furien mit seinem Gesang besänftigen (nur so nebenbei: Gibt es eigentlich Melodien gegen den Furor unserer Zeit?). Er findet den richtigen Ton, sucht und trifft auf Euridice, hält sich jedoch nicht an eine wesentliche Vorgabe: sich ihr nicht zuzuwenden. Daher: alle tot. Zumindest in der in Salzburg gespielten Fassung (Parma, 1769), die ein Happy-end verweigert. Ja, die Götter können unerbittlich sein.
Das Problem an dieser Oper, die musikalisch so traumhaft schön ist: Sie ist dramaturgisch nicht die beste. Philosophisch, psychologisch, mythologisch steckt so unendlich viel in diesem Werk, die Erzählungstruktur grenzt jedoch an Fadesse. Da braucht es schon einen Regisseur wie Romeo Castellucci, der einst bei den Wiener Festwochen und in Brüssel die Reise in die Unterwelt als jene zu einer Wachkomapatientin zeigte – und deren Reaktionen auf die Musik per Live-Video auf die Bühne brachte.
Die Inszenierung
Der nunmehrige Regisseur, Christof Loy, reduziert die bereits so stark vorhandene Reduktion auf die reine Essenz, sodass nur noch wenig übrigbleibt. Das ist, wie immer bei Loy, elegant und stilvoll. Aber ganz ohne Überbau ist dieses Werk szenisch kraftlos.
Die Optik
Die Bühne (Johannes Leiacker) ist braun getäfelt, eine Treppe führt zu einem großen weißen Portal, wie zum Licht am Ende des Tunnels. Choristen (famos: Il canto di Orfeo) und auch Cecilia Bartoli tragen schwarze Traueranzüge, die Damen in der Unterwelt sind bunt gewandet. Es wird würdevoll gestanden, geschritten und getanzt, in einer Choreografie des Regisseurs, deren Bewegungen unerklärlich bleiben. Wer eineinhalb Stunden Auszeit von unserer lauten Welt will, wird das sicher mögen.
Die Kammersängerin
Fabelhaft ist Bartoli als Orfeo, sie spielt den Trauernden mit größter Intensität, man sieht das Leiden die ganze Aufführung hindurch. Und sängerisch berührt sie gleichermaßen mit expressiven Ausbrüchen und zart-lyrischen, verinnerlichten Passagen. Allerdings ist der Orfeo, den sie nun zum ersten Mal sang und der Legato und schöne Kantilenen verlangt, nicht ihre beste Partie, weil sie etwa ihre hohe Kunst der Koloraturen nicht ausspielen kann. Aber Bartoli bildet dennoch auch hier ihren eigenen Maßstab. Mélissa Petit beeindruckt als Euridice, und auch Madison Nonoa ist in der kleinen Rolle des Amore gut besetzt. Mehr Solisten gibt’s nicht.
Gianluca Capuano dirigiert das Orchester Les Musiciens du Prince aus Monaco, wo Bartoli seit dieser Saison auch Operndirektorin ist. Die musikalische Gestaltung ist fein differenziert, der Klang farbenreich, in manchen Sequenzen hätte man sich mehr Power gewünscht.
Das Publikum dankte der Kammersängerin mit Standing Ovations. Sie bildet definitiv die beste Koalition mit den Festspielen.
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