Die nicht vorhandene Handlung ist so simpel, wie die Verse aus „Old Possum’s Katzenbuch“ von Literaturnobelpreisträger T. S. Eliot putzig sind – im englischsprachigen Raum Standard-Kinderlesestoff wie Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“.
Die „Jellicle Cats“, eine Verniedlichung für „Little Cats“, treffen sich einmal im Jahr zum Jellicle Ball. Dabei werden allerlei Charaktere vorgestellt, von der eleganten weißen Victoria über die beleibte Hausschnurrerin Gumbie und den nicht dünneren Feinschmecker Bustopher Jones bis zum Bösewicht Macavity. Der entführt den alten Deuteronimus ... Und am Ende kann Grizabella vom Aschenputtel wieder zur Prinzessin aufsteigen und zwecks Wiedergeburt in den Kleintierhimmel entschwinden.
Natürlich tanzen und schleichen die Katzendarsteller in allen Fellfarben und Formen wie einst durch die Publikumsreihen im Parkett und werfen sich in Pose. Der angestrebte Wiedererkennungseffekt stellt sich prompt ein. Nicht mehr Gänsehaut wie in den 80ern. Aber ein Gefühl der Nostalgie. Erinnerungen werden angeknipst.
Der Deutsche Dominik Hees zeigte in „Cats“ schon 2012 als rockiger Draufgänger und Frauenschwarm Rum Tum Tugger den lasziven Hüftschwung. Aber den größten Applaus vor der Pause erntet doch das Gaunerpärchen Mungojerry (Alexander Auler) and Rumpleteazer (Anna Carina Buchegger).
Ein Routinier auch Felix Martin als alter Theaterkater Gus. Und der junge Kanadier Stephen Martin Allan ist als magischer Zauberkater Mr. Mistoffelees ein Flic Flac schlagender Wirbelwind.
„Memory“ hat schon Barbra Streisand gesungen. Und Angelika Milster mit der Rolle der Grizabella eine Karriere begründet. Bei Ana Milva Gomes hat der Evergreen beim ersten Mal fast schon zuviel an Zurückhaltung und dann als Höhepunkt eine mit Schluchzern unterfütterte Rührseligkeit, die das Süßliche in Andrew Lloyd Webbers Klangkosmos unterstreicht.
Niveau hat die Produktion gewiss. Sie wird auch durch Regie-Legende Trevor Nunn nie zum Katzenjammer. Die deutschen Texte von Michael Kunze sind frei von Peinlichkeiten. Aber die Arrangements nicht frei von unnötig beigemischten Electronic Sounds.
Also muss man schon ein bisschen maunzen, mangelt es dem mit altbewährten Effekten und neuem Cast aufgekochten Musical-Geniestreich von Andrew Lloyd Webber am Ende doch an Atmosphäre. An Ausstrahlung.
Da schnurrt eine gut geölte Maschinerie ab. Zu bewundern ist die phänomenale Leistung des Ensembles, das Akrobatik bis hin zum gestreckten Salto rückwärts zeigt, atemberaubend tanzt, steppt, ballettiert. Das zweifellos einen hohen Grad an Perfektion erreicht. Aber beim Zuseher nicht das Herz trifft – oder gar erwärmt.
Eine Show ohne Showstopper. Ein Abend ohne Whow! Aber mindestens so kurzweilig wie ein Dutzend Katzen-Videos auf YouTube.
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