So sah auch ich Wochen später diese Produktion, die mich künstlerisch restlos begeisterte. Über einen langfristig kommerziellen Erfolg hatte ich keine Zweifel, selbst als ausgewiesener Hundeliebhaber. Nach dem Abgang von Rolf Kutschera übernahm der beliebte Schauspieler Peter Weck die Intendanz des Theaters an der Wiens, damals ausschließlich der Sparte Musical gewidmet.
Weck ging auf Stücksuche, denn damals gab es im deutschsprachigen Raum kaum Komponisten und Autoren, die sich mit dem Genre beschäftigten. Am Londoner Westend wurde er fündig. Auch er sah „Cats“, das sechste Musical des britischen Komponisten Andrew Lloyd Webber, der zuvor fast konkurrenzlos die spektakulär erfolgreichen Werke „Jesus Christ Superstar“, und „Evita“ schrieb. Mit „Cats“ allerdings hat er seine bisherigen Erfolge weit in den Schatten gestellt. Nicht nur für ihn selbst, sondern auch für das Genre wurde es zum größten Erfolg bis dato.
Es gelang Weck, die Produktion samt Leading Team zu importieren. Dem hoch reputierten Regisseur Trevor Nunn stand Gillian Lynnes zur Seite, die mit ihren sensationellen Choreografien ganz wesentlich zum Erfolg beitrug.
Dabei ist die Vertonung von T. S. Eliots Gedichtband „Old Possum’s Book Of Practical Cats“ eigentlich ein Bruch mit der bisherigen Musicaltradition. Katzengedichte als Musical? Die Song-and-Dance-Revue mit minimaler Handlung spielt in der Einheiteitskulisse einer Müllhalde, wo sich die unterschiedlichsten Katzencharaktere treffen um sich beim alljährlichen „Jellicle Ball“ zu präsentieren. Als Preis wird ein weiteres Katzenleben gewährt. Um dieses bewerben sich der Katzen-Casanova „Rum Tum Tugger“, die scheckige „Gumbie“ Katze, das lausbübische Pärchen „Mungojerrie“ und „Rumpleteazer“, der kriminelle Kater „Macavity“, der geheimnisvolle Zauberer „Mr. Mistoffelees“ und die heruntergekommene Halbwelt-Dame „Grizabella“, die in dem Hit „Memory“ in Erinnerung an bessere Zeiten als „Glamour“-Katze schwelgen darf. Als Katzenoberhaupt fungiert „Old Deuteronomy“.
Am 24. September 1983 war die Premiere der umjubelten deutschsprachigen Erstaufführung. Just an diesem Tag hatte ich einen Termin mit Peter Weck, um über die Aufnahmerechte zu verhandeln. Als ich in sein Zimmer trat, sah ich eine Glasmenagerie aus lauter kleinen Katzen. Darauf angesprochen meinte Weck: „Jedes Ensemblemitglied bekommt eine als Premierengeschenk“. Damit bewies der Direktor, dass er auch Stil hatte. Die Aufnahme musste ich an die Polydor abgeben, da diese schon die Londoner Produktion gesichert hatte, samt einer Option auf fremdsprachige Aufnahmen. Unter der musikalischen Leitung von André Bauer sangen und tanzten Angelika Milster, Ute Lemper, Joachim Kemmer und Steve Barton, später übernahmen u. a. Mercedes Echerer, Kim Duddy und Pia Douwes Rollen. Nach sieben Jahren und 2.080 Vorstellungen fiel der letzte Vorhang für „Cats“. Für Ute Lemper war es der Start ihrer Weltkarriere.
Nach mehr als 30 Jahren hat Intendant Christian Struppeck das Werk wieder auf den Spielplan gesetzt, diesmal im Ronacher. Heute, Freitag, findet die Premiere statt. Das Interesse ist enorm, die Erwartungshaltung hoch. Da sollte eigentlich nichts schiefgehen, falls die Besetzung stimmt und nichts zum Nachteil der Originalproduktion verändert wurde.
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