Ewiges Morgenlicht für Caspar David Friedrich

Oláfur Eliassons "Fenster für bewegtes Licht" im Dom St. Nikolai in Greifswald, der Geburtsstadt von Caspar David Friedrich
„Wenn er Himmel malt, dann darf man ihn nicht stören. Das ist wie Gottesdienst.“ So beschrieb die Ehefrau von Caspar David Friedrich in einem Brief einmal die Arbeitsweise ihres Mannes. Und Caspar David Friedrich, der bedeutendste deutsche Maler der Romantik, hat in seiner Karriere viele Himmel gemalt – umwölkte, vernebelte, von Sonnenlicht errötete.
Eine celestiale Hommage an diesen Künstler hat also besonderes Gewicht. Und wo würde so etwas besser hinpassen als in eine Kirche?
Berühmter Sohn
Vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich im deutschen Greifswald geboren. Er ist der berühmteste Sohn der Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, dicht gefolgt je nach Interessenslage von Fußballer Toni Kroos und von Schriftsteller Hans Fallada. Das heurige Jubiläumsjahr hat auch Greifswald mit vielen Veranstaltungen und Ausstellungen gefeiert. Unter anderem gab es eine Stadtwette gegen Dresden (die Stadt, in der Friedrich den Großteil seines Lebens verbracht hat). Wer die meisten Menschen in historischen Kostümen (vom Schultertuch über Zylinder bis zum echt ambitionierten Backenbart) auf dem Stadtplatz versammeln konnte, darf sich „Wirklich wahre Caspar-David-Friedrich-Stadt“ nennen. Greifswald hat die Wette gewonnen. Oft bleibt nicht viel über von Jubeljahren wie diesem. Der Titel immerhin bleibt Greifswald. Aber die Stadt hat sich auch eine weitere beständige Erinnerung geschenkt.

Eliasson greift in seiner Hommage charakteristische Farben des Romantik-Künstlers auf.
Ostfenster der Taufkirche
Im 800 Jahre alten Dom St. Nikolai hat der isländisch-dänische Künstler Olafur Eliasson neue Kirchenfenster gestaltet, die auf charakteristischen Friedrichschen Himmelsfarben basieren.
Der Ort ist auch biografisch eng mit dem Maler verbunden. Das Geburtshaus Friedrichs stand neben dem Dom, seine Eltern haben dort geheiratet, sein eigener Taufbucheintrag wird immer noch dort aufbewahrt. Sein Bruder hat die Kanzel und Holzbänke gebaut, am (aufgelassenen) Friedhof daneben war sein älterer Bruder, der beim Versuch, Caspar zu retten, ertrunken war, begraben. Er selbst hat das Sakralgebäude auf einigen Bildern seiner Heimatstadt verewigt.
Friedrich-Kenner werden beim Eintreten in die evangelische Kirche (die letzte katholische Messe wurde hier 1531 gelesen) und dem Blick auf die Fenster schnell an eins seiner Bilder denken: „Huttens Grab“ war Eliassons primäre Inspiration, es zeigt einen trauernden Mann neben einem Sarkophag (den des Kirchenkritikers und Luthertreuen Ulrich von Hutten), der in einer von Gebüsch überwucherten Kirchenruine steht.
Politik geht, romantische Stimmung bleibt
Die politischen Implikationen, die in „Huttens Grab“ gelesen werden (Friedrichs enttäuschte freiheitliche und reformatorische Hoffnungen) sind komplett gelöscht. Der Fokus liegt auf den drei schmalen, hohen Fenstern, durch die ein Sonnenuntergang – oder Sonnenaufgang – scheint.
Eliasson hat auf den ersten Blick die drei dominierenden Farben dieser einzigen Lichtquelle – die auch für viele andere Werke Caspar David Friedrichs charakteristisch sind – aufgenommen: blau, orange und rot. Tatsächlich sind es 65 verschiedene Farben, die dem Spektrum des Morgenhimmels in Friedrichs Gemälde entlehnt sind: von Violett und Rotlila unten über Gelb und Grün in der Mitte bis zu Tiefblau ganz oben.
Nordisch nüchtern meditativ
Sitzt man nun im Dom von Greifswald, sieht man die Sonne aufgehen – und zwar auch am Nachmittag. Denn normalerweise würde das Licht nur morgens durch die bunten Gläser fallen, schließlich befinden sie sich im Osten. Aber Eliassons Arbeiten manipulieren nur zu gern den Lauf des Lichts – so wurden hier Spiegel installiert, die das Licht zurückwerfen und auf einem Dach gegenüber des Doms hilft ein sogenannter Heliostat mit, das Sonnenlicht zu reflektieren.
Das Ergebnis ist ein vielleicht simpel wirkendes, aber auf unterschiedlichen Ebenen ansprechendes Kunstwerk. Man kann die nordisch nüchterne Treffsicherheit der Würdigung des berühmten Bürgers der Stadt bewundern, man kann entdecken, wie die Glaselemente sich nach oben hin in Zitate „klassischer“ Kirchenfenster verwandeln oder kann einfach im Fensterschein meditieren oder beten. Man kann die christliche Symbolik des Morgenlichts schätzen oder man kann betrachten, wie moderne Technik-Kunst sich mit der naturwissenschaftlich beeinflussten Kunst der Romantik vermählt.
Vor allem tragen die „Fenster für bewegtes Licht“ auf still-schöne Weise dem Rechnung, was Kunsthistoriker Friedrich als Pionierleistung zuschreiben: Er ließ den Betrachter den Himmel mit Bedeutung füllen.
In Österreich gibt es in einigen Kirchen Fenster zu sehen, die zeitgenössische Künstler gestaltet haben. Die breiteste Zeitspanne wird in der Wiener Ruprechtskirche überbrückt, hier korrespondieren die ältesten Glasfenster Wiens (13. Jahrhundert) mit jenen der Künstlerin Lydia Roppolt (1993).
Anfang der 1960er hat Arnulf Rainer in Pötzleinsdorf eine tiefblaue Fensterwand als Lichtmantel für die Marienstatute ersonnen. Mitte der 70er ließ sich Markus Prachensky in Enns vom Hl. Franziskus inspirieren. Heuer wurden in St. Johann im Walde in Osttirol neue Fenster von Herbert Brandl gesegnet.
Eine ganze Reihe Künstler (Markus Wilfling, Manfred Erjautz, Flora Neuwirth, Werner Reiterer, Gustav Troger, Johanna und Helmut Kandl) wurden 2002 in Graz – St. Andrä mit Glaskunst beauftragt. Flora Neuwirth kam auf den Geschmack und entwickelte 2007 Fenster für Gnas in der Oststeiermark.
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