Cannes-Gewinner Bong Joon-ho: Körperfresser mit Klasse
„Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen grotesk“, sagt der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho im KURIER-Gespräch, „aber die Idee, dass ein Parasit sich in einen Körper einschleicht und völlig Besitz von ihm ergreift, hat mir immer schon teuflische Lust bereitet“.
Stimmt, das klingt ein bisschen grotesk. Andererseits weiß man, was gemeint ist, wenn man sich Bong Joon-hos „Parasite“ (ab Freitag im Kino) anschaut: Die Gesellschaftssatire erzählt von der sehr armen Familie Kim in Seoul, die sich nach und nach in den Haushalt der sehr reichen Familie Park einschleicht.
Zuerst wird der Sohn der Kims Nachhilfelehrer bei den Parks. Weitere Familienmitglieder folgen und übernehmen Aufgaben als Haushälterin oder Chauffeur. Das angestammte Personal der Parks wird dabei unauffällig aus dem Haus gemobbt.
Als „Parasite“ in Cannes seine Premiere feierte, wurde er frenetisch bejubelt und mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Tatsächlich findet die „teuflische Lust“, von der Bong bei dem Gedanken an Parasiten spricht, ihren Widerhall in einem flott erzählten Thriller mit komischen Untertönen, der sein Publikum bestens unterhält, bevor er seine Botschaften versendet. Denn „Parasite“ ist ein prächtiger Mix aus allen möglichen Genres: Thriller-Elemente mischen sich mit Drama und Komödie zu einer beißenden Klassensatire, in der eine pseudo-gebildete, neureiche Oberschichtsfamilie auf den Putz von Seoul trifft.
„Bongs Filme kann man nicht definieren, sie sind ein eigenes Genre“, zitiert der 50-jährige Regisseur stolz einen amerikanischen Filmkritiker und grinst zufrieden: „Ich habe immer so eine Gier darauf, Genre-Filme zu machen, aber gleichzeitig will ich alle Regeln brechen.“
Wenn sich ein wiederkehrendes Element durch Bongs Filme zieht – sei es sein Horror-Meisterstück „The Host“ (2006) oder der Apokalypse-Thriller „Snowpiercer“ (2013) –, dann ist es der Klassenkonflikt. Immer wieder prallen unterprivilegierte, verarmte Menschen auf solche, die im Überfluss schwelgen. Im Fall von „Parasite“ sind es die netten Parks, die ihre gesellschaftliche Überlegenheit den Angestellten gegenüber mit großer Freundlichkeit vertuschen wollen. Doch wenn sie sich unbeobachtet glauben, geht’s los mit der Herablassung: Da muss der freundliche Herr Park die Nase rümpfen und sich über seinen Chauffeur auslassen, der klar nach Armut müffelt.
„Ich wollte es vermeiden, aus den Reichen typische ,Bösewichter‘ zu machen“, räumt Bong gut gelaunt ein: „Offiziell sind die Parks super-nett und würden nie etwas Schlechtes über ihre Angestellten sagen. Doch je länger man hinsieht, desto deutlicher wird, wie sehr sie auf Arme herab schauen.“
Doch auch die „Armen“ sind keineswegs nur hilflose Opfer, sondern regelrechte „Körperfresser“, wenn es darum geht, ihren gewonnenen Status zu verteidigen – und sei es gegen noch ärmere Menschen. Insofern schlägt immer wieder der Thriller in Bongs Genre-Mix durch und sorgt für blutige Einlagen.
Blamabel
Doch zumeist bringt Bong seine Gesellschaftskritik durch subversive Komik auf den Punkt. So blamiert sich die reiche Hausfrau gerne damit, dass sie unnötige englische Ausdrücke einfließen lässt: „Es gibt reiche, junge Ehefrauen in Korea, die, weil sie viel Geld haben, Englisch-Unterricht bekommen. Allerdings haben sie kaum Möglichkeit zu sprechen und versuchen bei jeder Gelegenheit, ihre Englischkenntnisse anzubringen“, erzählt Bong. Auch die Lust des südkoreanischen Geldadels auf private Bunker unter ihren Häusern wird auf die Schaufel genommen und gefinkelt in die Erzählung eingearbeitet.
Zu einer der witzigsten Momente zählt jener, in der die ärmliche Mrs. Kim den nordkoreanischen Führer Kim Jong-un parodiert. Tatsächlich gibt es in Südkorea so etwas wie eine Comedy-Kultur rund um das Verhältnis zwischen Süd- und Nordkorea: „Das südkoreanische Publikum hat an dieser Stelle ganz besonders gelacht“, freut sich Bong Joon-ho: „Im Unterhaltungsprogramm im Fernsehen sieht man of solche Szenen, in denen Nordkorea nicht ernsthaft kritisiert, jedoch ironisiert wird. Die Sprache ist zwar die gleiche, jedoch für uns klingt der nordkoreanische Akzent fremd, aber sehr lustig.“
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