"Caligula": Neue Sehnsucht nach dem Diktator

"Caligula": Neue Sehnsucht nach dem Diktator
Am 17. Mai feiert Jan Lauwers Inszenierung von Camus’ "Caligula" im Burg-Kasino Premiere. Im KURIER-Gespräch erläutert er die Aktualität des Stückes.

Das Seltsame an ihm war nicht sein Spitzname. Caligula – "Soldatenstiefelchen". Auch nicht, dass er (angeblich) sein Pferd zum Senator machte, das Meer auspeitschen ließ und den Mond vom Himmel herab befahl – ein Schritt, den dieser selbstredend verweigerte.

Das Groteske an Gaius Caesar Augustus Germanicus, römischer Kaiser von 37 bis 41 n. Chr., also bis ihn seine Prätorianergarde meuchelte, war, dass er sich dem Glauben an die Absurdität der menschlichen Existenz verschrieb. Nach dem Tod seiner inzestuös geliebten Schwester Drusilla erschienen ihm Leben wie Sterben gleichermaßen sinnlos. Weshalb er – weil eh wurscht – bei seinem Volk willkürlich über Sein oder Nichtmehrsein entschied.

Albert Camus, und was wäre passender für den Begründer der "Philosophie des Absurden", schrieb 1939/1944 sein Stück "Caligula". Eine unverhohlene Abrechnung mit dem Mörderregime seiner Epoche.

Der belgische Multikünstler Jan Lauwers inszeniert es nun im Kasino des Burgtheaters mit dem als Gast "heimgekehrten" Cornelius Obonya als Caligula, Maria Happel als Caesonia und zwei Mitgliedern seiner Needcompany. Premiere ist Donnerstag.

Tyrannenwahl

"Was Camus in ,Caligula" sagt, trifft sehr akkurat auf heutige Zeiten zu", diagnostiziert Lauwers im KURIER-Gespräch. "Die Leute sehnen sich nach neuen Diktatoren und das ist sehr gefährlich. Sie stimmen für extrem rechte Parteien, auch in meiner Heimat Belgien. Ich fürchte zum Beispiel um Griechenland. Wenn sich da einer als starker Mann, als ,Führer", als Lösung für alle Probleme präsentiert, werden die Menschen sich ihren neuen Tyrannen sogar selber wählen. Siehe Ungarn."

Totalitarismus ist für Lauwers noch lange nicht tot. 850 Kriege weltweit zählt er seit dem Zweiten. Ein Grund für ihn, mit Theater Politik zu machen: "Als Künstler hat man gesellschaftspolitische Verantwortung, sonst ist man nicht relevant. Im 20. Jahrhundert hat sich die Kunst zu sehr dekonstruktiviert, es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder einmischen, wieder mitmischen."

Die Burg, wo er kommende Saison in seine vierte als Artist in Residence geht, erscheint ihm dafür ideal. Weil sie, wie er sagt, "das Herz der Stadt" ist. "Wien gewöhnt sich allmählich an mich", lacht er. Und bekennt, mit seinen nicht immer durchgängig verständlichen Arbeiten provozieren zu wollen. "Ich bin dankbar, dass Matthias Hartmann so viel Vertrauen in mich setzt. Er braucht mich nicht, ich brauche ihn nicht – das ist vielleicht der Grund, warum wir Freunde wurden."

Good Vibrations

"Caligula": Neue Sehnsucht nach dem Diktator

Für "Caligula" hat sich Lauwers den Komponist und Installationskünstler Nicolas Field zur Seite geholt. Er wird mit Bassboxen einen "Klangraum" schaffen, der zweieinhalb Stunden lang leicht vibrieren wird. Bleibt abzuwarten, ob das Publikum ebenfalls erbebt.

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