"Cabaret" an der Volksoper: Alle Totengräber sind schon da

"Cabaret" an der Volksoper: Alle Totengräber sind schon da
John Kanders und Fred Ebbs Musical „Cabaret“ begeistert an der Wiener Volksoper auch dank eines grandiosen Ensembles.

Wenn es so etwas wie Richard Wagners „Parsifal“ in der Musical-Literatur gibt, dann ist das mit Sicherheit „Cabaret“. Jenes Musical von John Kander (Musik), Fred Ebb (Gesangstexte) und Joe Masteroff (Buch), an dem schon viele Theater gescheitert sind, das zu keiner Erlösung, sondern in den Untergang führt. Eine schillernde Revue im ebenso schillernden Berlin der 30er Jahre, die Hit an Hit reiht und dabei das Aufkommen des nationalsozialistischen Terrorregimes zum Thema macht.

An der Volksoper ist dieses ambivalente, einst auch großartig verfilmte Meisterwerk nun erstmals zu sehen. Und: Das Haus am Gürtel fährt damit – das lässt sich nach der Premiere sagen – einen Triumph der Superlative ein. Denn der verruchte Kit Kat Club, in dem ein Sternchen namens Sally Bowles von der großen Karriere träumt und eine kurze, unglücklich endende Liebe findet, ist in Wien angekommen.

"Cabaret" an der Volksoper: Alle Totengräber sind schon da

Gespenster der Zukunft

Denn sie sind in Gil Mehmerts professioneller Inszenierung alle schon da, die Gespenster und Totengräber der Zukunft: Mussolini, Stalin, natürlich Hitler. Die Hakenkreuze und Totenköpfe, die auf Heike Meixners Drehbühne (es gibt den Kit Kat Club und die privaten Wohnungen der „kleinen Leute“) eine ganz zentrale Rolle spielen. Revue gegen Weltpolitik, Show gegen Schicksal – das suggerieren auch die Kostüme von Falk Bauer und die Choreografie von Melissa King in jeder Phase. Und selbst die vom Künstler George Grosz inspirierte Figur des Bankiers mit goldenem Gehirn, Bauch und Tresor hat ihren bizarren Auftritt.

Die richtig großen, grandiosen Auftritte aber haben andere: Bettina Mönch als Sally Bowles etwa. Jeder Zoll eine Diva, verkörpert Mönch dieses Starlet mit einer unfassbaren Intensität, holt sich bei ihren Nummern alles. Was für eine Bühnenpräsenz, was für eine Stimme, was für eine Charakterdarstellerin – Mönch macht die filmische Vorgabe einer Liza Minelli vergessen. Eine so stimmgewaltige Sally hätte im Berlin der 30er mindestens die Karriere einer Zarah Leander gemacht.

Puck und Narr

An Mönchs Seite und damit das zweite Ereignis dieser Produktion: Ruth Brauer-Kvam als glatzköpfiger, androgyner Conférencier: Eine vokal fabelhafte, gefährliche, omnipräsente Mischung aus Puck und Narr – eine Figur an der Schnittstelle zwischen Komik und Tragik, zwischen Entertainment und Totentanz. Chapeau!

Und – um bei den Ereignissen zu bleiben – wäre da noch Dagmar Hellberg als Fräulein Schneider. Diese „berlinert“ perfekt, gibt das in die Jahre gekommene, zu späte Mädchen mit Hingabe und Nuancen, wobei sie in Hausherr Robert Meyer einen (jüdischen) Herrn Schultz findet, der sich nicht nur mit dem Song „Mieskeit“ die Herzen des Publikums im Sturm erobert. Auch dieses Bühnenpaar muss man einfach lieben.

Schwerer hat es da stückbedingt Jörn-Felix Alt als sympathischer Clifford Bradshaw: Er macht wie auch Johanna Arrouas, Peter Lesiak oder Jakob Semotan das Beste aus seiner Rolle. Und am Pult des guten Orchesters serviert Lorenz C. Aichner Hits wie „Money, Money“, „Willkommen“, „Maybe this time“ oder „Mein Herr!“ mit Verve. So geht eben „Cabaret“!

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