Nächste Premiere
Dass er doch beim Theater – letztlich im Ensemble des Burgtheaters – landete und demnächst wieder in einer Premiere dabei ist („Zentralfriedhof“ am Freitag), das kam erst nach ausführlichen Umwegen. Klemt fuhr auf Entdeckungsreisen nach Peru, installierte Hochspannungsleitungen, schloss sich einer Straßenkünstlertruppe an, wurde Feuerschlucker, Einradfahrer, Stelzengeher, Seiltänzer, Akrobat.
Das Theater blieb präsent. „Ich wusste damals nichts über die Truppe, aber in deren Zentrum in der Toskana kamen immer wieder Menschen, um mit uns zu arbeiten; einmal so ein alter Typ, der mit mir Sprachübungen machte, ich wusste nicht, warum. Ich fragte, wer das eigentlich war – es war Peter Brook“, schilderte er.
Der letzte Umweg zum Theater führte Klemt dann noch über Afrika. „Ich bin vom Kreisverkehr am Wörthersee an die Elfenbeinküste gefahren. Und dann am Rückweg direkt mit dem Land Rover zum Stadttheater Coburg.“
Nun auf der Bühne angekommen, fand sich Klemt im unerwarteten Theateralltag eines kleinen Hauses. „Kartenabreißer, die Dramaturgie, die Sekretärin – alle mussten mitspielen“, sagt er. „Als Schauspieler ist man dort gleich total bekannt.“ Um als Neuling herauszustechen (beziehungsweise nicht unangenehm aufzufallen), bereitete er sich ausführlich auf jede Rolle vor: „Ich las 50 Bücher und schaute, was die Kollegen machten. Ich dachte immer, man wird mir draufkommen, dass ich Anfänger bin. Aber dann dachte ich: Das ist ja abgefahren. Die machen bei der dritten Produktion schon wieder dasselbe. Und ich dachte mir, ach so, die machen das seit 20 Jahren immer so.“
Im Sommer drehte Klemt Filme – nach der Familiengründung „musste Kohle her“. Dort erlebte er eine andere Seite der Branche: „Da sah ich die wichtigen Kollegen irgendwelche Assistenten anbrüllen: ,Wo ist meine Mango?! Ich habe gedacht, ich möchte nie so werden, und habe mich für jeden Drehtag so vorbereitet, als ob es eine Hauptrolle wäre, auch wenn die Geschichten dünner waren als das Papier, auf dem sie ausgedruckt waren.“
Und dann holte ihn Martin Kušej ans Residenztheater. Dort, in München, war er umgeben von vielen deutschen Schauspielstars. „Ich dachte mir: Ich gebe mir ein Jahr, bis die mich raushauen. Und versuche, so viel von den Kollegen zu lernen wie möglich. Dann war das erste Jahr rum, und ich sah, dass tolle Schauspieler rausflogen. Ich aber nicht. Dabei gilt beim Martin: Je näher man ihm ist, desto härter wird man angefasst. Und dann war ich acht Jahre dort. Und hatte Selbstbewusstsein.“
Mit Kušej gingt Klemt dann an die Burg nach Wien (und, Ironie des Schicksals, er unterrichtete hier dann am Reinhardt-Seminar). Wie ging es ihm in diesem Riesen-Burgtheaterapparat? „Man muss hier viele schmeichelhafte Sachen sagen. So funktioniert Theater! Aber es ist natürlich komplett anachronistisch.“ Inwiefern? „Wien ist eine Traumstadt, das Wiener Publikum ist auch toll. Das Burgtheater, überhaupt das Theater, ist für Österreich wie die Mondlandung für Amerika: Alle Mittel werden bereitgestellt, um Theater zu machen. Aber wenn man sagt, man müsste was ändern, dann wird es schwieriger. Dann kommt Abwehr. Jeder kann seine berufliche Existenz nur rechtfertigen, indem er ,Nein‘ sagt. Aber wenn einer immer sagt ,Ja, klar‘, dann denkt man sich hier: Brauchen wir den überhaupt?“
Lieber ein Kindergarten
Was sollte man ändern? „Man könnte so viel sparen, nicht auf Kosten des künstlerischen Ausdrucks, sondern rundherum.“ Aber ist nicht gerade dieser Irrsinnsaufwand das Schöne? „Nehmen Sie das sogenannte Vorderhaus. Das ist fünf Stunden am Tag in Betrieb. Sonst ist hier nie jemand! Ich würde da einen Kindergarten einquartieren. Die Kindergärten in Wien haben überhaupt keinen Platz. Und nach jeder Aufführung ein Clubbing!“
Weit weg von Letzterem sind die körper- und bewegungsorientierten Inszenierungen von Herbert Fritsch ja nicht. Wie ist die Arbeit am „Zentralfriedhof“ mit dem Regisseur? Klemt: „Ich hau’ mich in Produktionen ja ganz hinein, körperlich und auch sonst. Das passt wunderbar zusammen! Mit Herbert ist es immer eine Teamarbeit. Und es kommt so viel aus der Bewegung. Das ist mir extrem wichtig.“
Warum? „Ich habe als Teenager einen Flugzeugabsturz überlebt. Seither weiß ich, was Kinetik für den Körper bedeutet, wie viel zerstörerische Kraft Bewegung haben kann. Das hab ich ins Theater mitgenommen.“
Wie Kušej verlässt Klemt Ende der Saison die Burg. Was folgt? Darüber kann er noch nicht sprechen. Aber: „Ich setze meine Gauklerreise fort.“
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