Burgtheater: Riesenerfolg mit Raimund
Ferdinand Raimunds Zauberstück "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" ist formal klassisches Biedermeier – die meisterhaft gebaute Geschichte weist aber weit in die Moderne hinein: Ein hochsensibler Mensch verfällt der Lust an der Paranoia – und sieht sich bald nur noch von Feinden, Attentätern und Verschwörern umgeben. Er flieht in die Einsamkeit und wird von einem Geist, der ihm die Gelegenheit gibt, sich in all seiner Lächerlichkeit selbst zu betrachten, auf ziemlich rüde Weise erfolgreich psychotherapiert.
Das Stück bietet eine hemmungslos dahin rasende Handlung, herrlich vitale Figuren zwischen Komik und Tragik, das für gute Schauspieler maßgeschneiderte Motiv des doppelten Rollentauschs – und dazu hoch aktuelle Themen wie innere Zerrissenheit, Verfolgungswahn, Vereinsamung.
Das Burgtheater ließ den jungen österreichischen Regisseur Michael Schachermeier an den Stoff, der im Vorfeld ankündigte, einen harten, zeitgemäßen, alles andere als gemütlichen Raimund zeigen zu wollen.
Regie?
Und hier ist ein Einschub nötig: Wie der KURIER aus einer sehr guten Quelle erfuhr, kam es etwa zwei Wochen vor der Premiere zum Zerwürfnis zwischen Regisseur und manchen Darstellern. Schließlich habe Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann in die Regie eingegriffen und die Inszenierung gerettet. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es freilich nicht.
Wer immer dafür verantwortlich ist: Dem Burgtheater gelang eine famose, kluge, ebenso modern-harte wie komödiantisch-wienerische Aufführung. Das sah auch das Publikum so: Am Ende gab es Riesenjubel.
Der Stoff, der diese Welt im Innerste zusammenhält, sind die neu komponierten Couplets der Musikerin Eva Jantschitsch alias Gustav. Ihre Musik erinnert gleichermaßen an Tom Waits wie an Kurt Weill, sie ist jazzig schräg gelegt, rockt aber sehr sexy. Die Texte sind nahe bei Raimund und bissig-hintersinnig: "Es ist gut, wenn du gehst/denn man sagt, es sei gesund."
Alpenpanorama
Hinreißend ist auch das Bühnenbild: Damian Hitz baute ein Alpenpanorama im Industrie-Design und dazu Spiegel-Stellwände, vor denen der Herr von Rappelkopf seine Persönlichkeitsspaltungen inszenieren kann. Ein wunderbar poetischer Höhepunkt der Aufführung: Ein riesiger Vollmond wandert, ebenso fried- wie bedrohlich, über den Bühnenhintergrund.
Gespielt wird großartig. Johannes Krisch – gebt ihm mehr, viel mehr Hauptrollen – ist ein großartiger, blut- und dreckbeschmierter Berggeist mit gefährlichem Sex-Appeal, er spielt den Alpenkönig wie eine Mischung aus Mephisto, Puck und schmierig-charismatischem Leiter eines Schamanismus-Kurses im Waldviertel. Und singen kann der!
Cornelius Obonya ist ihm ein herrlicher Widerpart, komödiantisch-rasant, wienerisch bis an den Rand des Nervenzusammenbruchs, wie aus einer mutigen Nestroy-Inszenierung entlaufen. Unter den Nebendarstellern fallen Stefanie Dvorak und Johann Adam Oest als bizarres Diener-Paar auf.
KURIER-Wertung: ***** von *****
Fazit: Zeitlos kluge Inszenierung
Stück
Der Gutsbesitzer Rappelkopf fühlt sich von Familie und Dienerschaft verfolgt, kippt immer mehr in den wahnsinn, bis ihm der geisterhafte Alpenkönig die Absurdität seines verhaltens vor Augen hält.
Regie
Michael Schachermaier inszenierte (mit Hilfe des Burgtheaterdirektors?) ebenso modern wie komödiantisch.
Spiel
Virtuos.
Musik
Sensationell.
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